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Vom Burgtheater und anderen patriarchalen Krisenfeldern

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Dieses Interview mit Barbara Klein ist bereits in der Mai-Ausgabe der an.schläge erschienen. 

Nachdem Matthias Hartmann im März fristlos entlassen wurde, steht nun mit Interimsdirektorin Karin Bergmann erstmals eine Frau an der Spitze des Burgtheaters. Überrascht dich das?

Barbara Klein: Nein. Wo aufgeräumt werden muss, greift man gerne auf Frauen zurück. Karin Bergmann hat auch selbst in einem Interview gesagt, dass sie schon als Trümmerfrau bezeichnet wird. Außerdem gibt es für sie keine Gewissheit darüber, ob sie als Direktorin bleiben darf, wenn sie das will. Sie muss das Desaster jetzt in Ordnung bringen, da wird wohl Menschenunmögliches von ihr verlangt. Und das, nachdem die gesamten Aufsichtsräte versagt haben. Das ist wirklich unglaublich, vor allem wenn ich daran denke, dass bei uns in der Freien Szene jede Rechnung dreimal umgedreht wird. Und am Burgtheater sind die Millionen einfach so ausgegeben worden auf irgendwelche mündlichen Zusagen hin. Dabei haben die dort Aufsichtsräte und eine Holding – die wir nicht haben. Wie kann das also passieren? Solche Ereignisse sind schlecht für die zeitgenössische Kunst insgesamt, weil das am Stammtisch leicht ausgeweitet wird, und man meint, alle würden so agieren und gehen mit 250.000 Euro im Sackerl raus, ohne sich dafür verantworten zu müssen. Die Gefahr ist groß, dass es auf die gesamte Theaterszene zurückfällt, auch auf uns, die wir korrekt und mit einem Bruchteil des Geldes arbeiten – und noch dazu wesentlich innovativer als die meisten der restaurativen Tanker.

2011 hat sich Sonja Ablinger angesehen, wie viele Frauen als Leiterinnen, Autorinnen oder Regisseurinnen an deutschsprachigen Theatern tätig sind und festgestellt, dass sie fest in Männerhand sind. Sollte es an den Staatstheatern verpflichtende Quoten geben?

Unbedingt. Das lässt sich ja auch ganz leicht umsetzen. Es ist eine klare Sache, dass Frauen als Kunstkonsumentinnen deutlich überrepräsentiert sind, also nicht nur im KosmosTheater, jedes Publikum besteht mehr oder weniger zu sechzig Prozent aus Frauen und zu vierzig Prozent aus Männern. Und diese Frauen bekommen eine Welt vorgesetzt, die mit ihrer relativ wenig zu tun hat. Diese konservative Theaterwelt ist einfach eine urpatriarchale, um nicht zu sagen phallokratische Welt, die nicht einmal im Ansatz kritisiert wird. Und dann wundert man sich, dass junge Leute keinen Zugang finden zur Sprechkunst. Natürlich muss eine Quote her, es gibt an den großen Bühnen im deutschsprachigen Raum nach wie vor nur fünf bis zehn Prozent Autorinnen. An den kleineren Häusern ist es leider auch nicht viel besser, der Großteil der Kulturinstitutionen ist in männlicher Hand. Natürlich heißt das nicht, dass sich alles ändert, wenn einmal eine Frau die Leitung übernimmt. Es ist ein strukturelles Problem, es braucht sehr viel mehr Frauen in leitenden Positionen, nicht nur Einzelkämpferinnen. Und dann immer diese Ausrede, dass es in den Klassikern eben mehr Männerrollen gäbe und man deshalb nichts tun könne. Natürlich kann man etwas tun, nämlichvermehrt zeitgenössische Kunst spielen – so wie wir das tun.

Die IG Freie Theaterarbeit hat jüngst kritisiert, dass es am sozialdemokratischen Gespür für Verteilungsgerechtigkeit mangle. In Wien ist im letzten Jahrzehnt das Budget für darstellende Kunst signifikant gestiegen, von 73 Mio. Euro im Jahr 2004 auf 101 Mio. Euro im Jahr 2010, der Großteil des Zuwachses ging allerdings an Großbühnen – allein die Renovierung des Musical-Theaters Ronacher kostete einen zweistelligen Millionenbetrag.

Ja, ausreichend gefördert werden fast ausschließlich die großen Häuser. Es wird insgesamt immer weniger die Kunst selbst gefördert, auch in der bildenden Kunst gibt es kaum mehr Ankäufe zeitgenössischer Werke durch den Staat. Nur in die eh schon Bekannten und sozusagen in die Wertsteigerung zu investieren, das bringt die Kunst nicht weiter. Wo soll der Nachwuchs herkommen, woher die neuen Ideen, die politische Kunst? Es geht ja fast nur noch um den Marktwert, um Marketing, das ist tödlich für die Kunst, für den Nachwuchs und für die Lebendigkeit. Und wenn man meint, Kunst auf den Tourismus ausrichten zu müssen, dann sollte auch das Geld dafür aus dem Tourismus kommen und nicht aus dem Kulturbudget. Außerdem ist es eine furchtbar kurzsichtige Haltung, wenn das Neue und Innovative nicht gehegt und gepflegt wird. Aber es deckt sich mit der Gesamtpolitik, wo auch nur noch in Legislaturperioden gedacht wird.

Seit 1. März 2014 fungiert Josef Ostermayer als Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst, zuvor waren Kunst und Kultur im Unterrichtsministerium angesiedelt. Siehst du darin eine Aufwertung der Kulturpolitik?

Nein, also das kann keine Aufwertung sein. Ähnlich wie bei der Frauenpolitik braucht es ein eigenes Ministerium mit ausreichendem Budget und nicht nur eine Hülle. darüber, was von Ostermayer zu erwarten ist, kann ich noch nicht viel sagen. Hartmann hat er ja bereits fallen gelassen, aber ob strukturell etwas geändert wird und die Rolle der Holding hinterfragt wird, das kann man noch nicht erkennen. Sagenhaft ist, dass mittlerweile alle großen Häuser in dieselbe Kerbe schlagen: Wir brauchen mehr Geld – das ja nicht vorhanden ist, nachdem es die Hypo fressen wird. Und wir haben keine Chance, darzulegen, was für ein großes Potenzial in der Szene vorhanden ist und wie wichtig es wäre, Theater abseits der großen Häuser zu fördern. Auch arbeiten KünstlerInnen viel zu oft prekär oder geringfügig, hier muss einmal für Gleichstellung gesorgt werden. Wie kann es sein, dass Leute an großen Häusern sozialrechtlich abgesichert sind und KünstlerInnen, die die gleiche Arbeit unter wesentlich schwierigeren Bedingungen machen, letztendlich mit leeren Händen dastehen?

Matthias Hartmann hat bei der Feier zum 125-Jahr-Jubiläum des Burgtheaters die Theater als Rückgrat für das kulturelle Selbstbewusstsein Österreichs bezeichnet. Profitieren kleinere Theater denn von Häusern wie der Burg?

Nein, da besteht eine große Kluft, es gibt überhaupt keine Wechselwirkung – mit wenigen Ausnahmen. Wir haben zum Beispiel die Schauspielerin und Regisseurin Elisabeth Augustin sehr stark ins KosmosTheater eingebunden, weil sie sich sehr für Frauen engagiert und eine großartige Künstlerin ist. Auch unseren aktuellen Autorinnen-Wettbewerb haben wir aufgrund ihrer Initiative gestartet. Aber das hat etwas mit persönlichem Kontakt und gegenseitiger Wertschätzung zu tun. Insgesamt gibt es ganz wenig Kommunikation, keinen wirklichen Austausch. Es ist offensichtlich ein No-Go für Burgdirektoren, KünstlerInnen aus der Szene auch nur gastweise zu beschäftigen oder zu testen, und umgekehrt werden die SchauspielerInnen nicht freigestellt. Also wenn wir jemanden für ein Stück anfragen, dann geht das allenfalls, wenn die Person bereits pensioniert ist. Auch inhaltlich gibt es kaum Anbindung, wenig Austausch beim Publikum. Das sieht man immer daran, welche Begeisterung es in der Burg gibt, wenn einmal statt teuren Bühnenbildern nur einfache Mittel eingesetzt werden – das gibt es bei uns seit eh und je, schon aus Not.

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Foto: Bettina Frenzel

Barbara Klein ist Gründerin und Intendantin des KosmosTheaters Wien, dem „Theater mit dem Gender“, dessen Spielplan überwiegend aus Stücken von Dramatikerinnen besteht, die zumeist von Regisseurinnen inszeniert werden.

Lesestoff

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Die EU-Wahl hat Erfreuliches und weniger Erfreuliches gebracht. Die guten Nachrichten: In Österreich haben die Grünen drei Mandate geholt, Monika Vana zieht somit als dritte Abgeordnete ins Europäische Parlament ein. In Schweden hat die feministische Partei „Feministiskt initiativ“, die sich im Wahlkampf gegen Rassismus stark gemacht hat, 5,3 Prozent erreicht, Soraya Post zieht damit ebenfalls ins Parlament ein. Andrea Heinz hat sie auf standard.at porträtiert.

Das Progress hat Julian Bruns, Kathrin Glösel und Natascha Strobl interviewt, die ein Buch über die „Identitären“ veröffentlicht haben. Im Kurier kommentiert Doris Knecht das Verhalten der Polizei bei der Demonstration der rechten Gruppierung. Ein Videobericht des Vice dokumentiert die Kommunikation zwischen Polizei und „Identitären“. Auch Wien-TV berichtet ausführlich über die Ereignisse.

In Graz setzt Frauenstadträtin Martina Schröck (SPÖ) auf Sparkus: Kürzlich wurde der Vertrag mit dem Frauengesundheitszentrum gekündigt, auch ob es wieder eine unabhängige Frauenbeauftragte geben wird, ist noch unklar.

In den USA hat der Student Elliot Rodger bei einem Amoklauf sechs Menschen getötet und 13 weitere verletzt. Seine Tat kündigte er unter anderem in einem Video an und sprach davon, dass Frauen ihn ablehnen würden. Die meisten Journalist_innen blenden strukturelle Zusammenhänge in der Berichterstattung leider (wie so oft) aus. „Elliot Rodger war der Meinung, dass er ein Recht darauf hätte, dass Frauen ihn begehren und (sexuelle) Kontakte mit ihm eingehen. Mit dieser Meinung ist er nicht allein. Eher im Gegenteil“, schreibt Charlott in ihrer lesenswerten Analyse.

Im Guardian schreibt Jessica Valenti: „Elliot Rodger’s California shooting spree: further proof that misogyny kills“. „The Men’s Rights Movement Taught Elliot Rodger Everything He Needed to Know“ schreibt Anne Theriault auf Huffington Post.

Dass viele Journalist_innen Vergewaltigungsmythen eher reproduzieren als bekämpfen, zeigt dieser Bericht in der  Gratiszeitung „heute“:

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In der Schweiz werden die Kosten für Schwangerschaftsabbrüche derzeit von der Krankenkasse übernommen. Die Initiative „Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache“ will das nun ändern. Abgestimmt wird am 9. Februar, Infos gibt es hier, in der Tagesschau kommen die Gegnerinnen der Initiative zu Wort.

In Spanien steht eine Verschärfung der Abtreibungsgesetze bevor. In einer Umfrage haben sich 73 Prozent der Bevölkerung gegen diese Reform ausgesprochen. Eine Petition dagegen könnt ihr hier unterschreiben.

Die Sugarbox-Blogger_innen haben ihre liebsten queer-feministischen Momente 2013 zusammengestellt. Einen ausführlichen Debatten-Rückblick auf das Jahr 2013 in zwei Teilen gibt es bei der Mädchenmannschaft.

Von vorgestern: Procter & Gamble hat im vergangen Jahr die Kampagne „Danke Mama“ gestartet – berühmte Sportler_innen danken ihren Müttern, die „einen Olympioniken großgezogen“ haben. „Hinter jedem Athleten steht eine großartige Mutter“, schreibt der Konzern. Mit dem Kauf von Waschmittel und Zahnpasta kann jetzt also für den Nachwuchssport gespendet werden. In den Online-Werbebannern wird unter anderem darauf hingewiesen, dass auch die Wäsche von Olympia-Größen geschwaschen werden muss. #Facepalm

„Das Jahrhundertjubiläum zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 2014 wird ein Spektakel an Veranstaltungen rund um die Welt. Nur Österreichs Bundesregierung hinkt nach“, ist im Profil zu lesen.

Der Verein „Autonome Österreichische Frauenhäuser“ hat eine Kampagne gestartet, um auf die Ratifizierung der Istanbulkonvention gegen Gewalt an Frauen hinzuweisen: Ichunterstütze.org.

Feministische Ökonomie ist seit einiger Zeit mein Schwerpunkt-Thema und sollte ja wie ich finde Teil jeder feministisch-politischen Überlegung sein. Deshalb haben wir diesmal den feministischen Lesekreis beim Verein Genderraum der feministischen Ökonomie gewidmet. Am 21. Jänner um 19 Uhr findet in der Buchhandlung ChickLit im 1. Bezirk in Wien die Abschlussdiskussion statt, über Handlungsmöglichkeiten in der Praxis diskutieren die feministischen Ökonominnen Käthe Knittler und Isabella Scheibmayr und die parlamentarische Mitarbeiterin Heike Fleischmann, Katharina Serles übernimmt die Moderation. Anschließend warten Wein und Brötchen und hoffentlich viele anregende Gespräche auf euch! Ich würde mich sehr über viele Besucherinnen und Besucher freuen.

Das nächste Netzfeministische Bier Wien findet am 15. Jänner um 19.30 Uhr statt.

Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen

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Zum „Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen“ veröffentliche ich hier einen Text, den ich über Gewaltschutz(gesetze) in Österreich geschrieben habe: 

Gewalt gegen Frauen ist bis heute ein zentrales Thema feministischer Politiken. Während es gegenwärtig in Österreich ein umfassendes Gewaltschutzgesetz gibt, das auch anderen Ländern als Vorbild dient, war häusliche Gewalt zu Beginn der 1970er-Jahre schlichtweg ein Tabu-Thema. Aktivistinnen der zweiten Frauenbewegung durchbrachen das Schweigen und stellten sich der Trennung in öffentliche und private Bereiche entgegen. Sie wiesen auf unterschiedliche Gewalt-, Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse hin und fassten so den Begriff der Gewalt wesentlich weiter: Es wurden nicht nur Gewaltakte, sondern auch gesellschaftliche Strukturen – Herrschaftsstrukturen – in den Blick genommen.

1972 wurde das erste Frauenhaus in London eröffnet, das Frauen und Kindern einen sicheren Zufluchtsort vor gewalttätigen (Ehe-) Partnern bot. In Wien entstand das erste Frauenhaus 1978 nach einem Konzept der autonomen Frauenbewegung, unterstützt wurde das Projekt von der SPÖ-Stadträtin und späteren Frauenministerin Johanna Dohnal. Gesetzliche Maßnahmen ließen hingegen noch auf sich warten. 1989 kam es im Zuge der Strafrechtsreform zu wesentlichen Änderungen bezogen auf den Tatbestand der Vergewaltigung. Tatbestand und Strafausmaß waren von nun an nicht mehr vom Verhalten des Opfers, der Widerstandsleistung, sondern vom Verhalten des Täters abhängig; Vergewaltigung innerhalb einer Ehe wurde von nun an ebenso unter Strafe gestellt.

Im Kampf gegen Gewalt gegen Frauen bestand ein reger – und zum Teil konfliktreicher – Austausch zwischen autonomer Frauenbewegung und institutionalisierter Frauenpolitik. Auch die internationale Vernetzung wurde von Fraueninitiativen weltweit vorangetrieben. Bei der Menschenrechtskonferenz der Vereinten Nationen im Jahr 1993 in Wien war auf ihr Bestreben hin Gewalt gegen Frauen ein zentrales Thema, Gewalttaten an Frauen wurden als Menschenrechtsverletzungen anerkannt.

1994 initiierte Johanna Dohnal die Gründung einer interministeriellen Arbeitsgruppe zur Entwicklung von Maßnahmen gegen Gewalt in der Familie. Das entwickelte Gewaltschutzgesetz trat 1997 in Kraft, in Zuge dessen entstanden Interventionsstellen gegen familiäre Gewalt in allen Bundesländern Österreichs. Außerdem beinhaltete das Gesetz die polizeiliche Wegweisung des Täters aus der Wohnung des Opfers für zehn Tage und die Möglichkeit einer zivilrechtlichen Einstweiligen Verfügung. In den folgenden Jahren wurde das Gesetz in Teilbereichen geändert und verbessert, 2009 trat schließlich das Zweite Gewaltschutzgesetz in Kraft, das unter anderem die „fortgesetzte Gewaltausübung“ unter Strafe stellte.

Seit 1981 wird am 25. November weltweit der „Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen“ begangen, im Rahmen der „16 Tage gegen Gewalt“ finden jährlich zahlreiche Aktionen von Gewaltschutzeinrichtungen, frauenpolitischen Akteurinnen* und autonomen Feministinnen* statt, die auf Gewalt gegen Frauen* hinweisen und internationale Solidarität in den Vordergrund rücken. In Österreich ist jede fünfte Frau in ihrem Leben von Gewalt in einer Beziehung betroffen. Entgegen zahlreicher Mythen findet Gewalt gegen Frauen und Mädchen überwiegend im direkten Umfeld statt – 90 Prozent aller Gewalttaten werden nach Schätzungen der Polizei in der Familie und im sozialen Nahraum ausgeübt.

Neue Debatten um den Schwangerschaftsabbruch

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Am 22. Oktober hätte im EU-Parlament über den „Estrela-Bericht“ zu Sexual and Reproductive Health and Rights abgestimmt werden sollen. Er kritisiert unter anderem, dass es für Frauen* in vielen EU-Mitgliedstaaten keinen sicheren Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen gibt und fordert die Staaten auf, den Schwangerschaftsabbruch zu legalisieren. Der Bericht fand im Frauenausschuss eine breite Mehrheit, wurde jedoch am 22. Oktober wieder in den Ausschuss zurückgeschickt, weil Rechte und Konservative dagegen mobil gemacht hatten und die Abstimmung störten. Einen Text zu den Ereignissen gibt es bei der österreichischen Abgeordneten Ulrike Lunacek (in den Medien gab es abgesehen von erzkatholischen Portalen leider wenig darüber zu lesen).

Europaweites Lobbying gibt es auch an anderer Stelle: Die Initiative „One of us“ hat über eine Million Unterschriften gesammelt und tritt für den „Schutz des Lebens von Anfang an“ ein (Details zu dieser Kampagne könnt ihr im ausführlichen Artikel zum Thema auf diestandard.at nachlesen).

Schwangerschaftsabbruch raus aus dem Strafrecht!

Gerade in Hinblick auf die Europawahl 2014 und den prognostizierten Zuwachs rechter Parteien in einzelnen Ländern (trotz insgesamt anderer Prognose) könnte der Schwangerschaftsabbruch also wieder zum zentralen Thema werden. Allen, die sich diesbezüglich informieren möchten, sei die Gruppe „Schwangerschaftsabbruch raus aus dem Strafrecht“ empfohlen, die unter anderem von der Verfassungsjuristin Brigitte Hornyik gegründet wurde, die sich seit vielen Jahren mit dem Thema auseinandersetzt.

Einen tollen Dokumentarfilm über die Geschichte des Schwangerschaftsabbruchs in Österreich hat die Journalistin Susanne Riegler gemacht: „Der lange Arm der Kaiserin„. Hier einige Infos zum Abbruch in Österreich im Überblick:

Schwangerschaftsabbruch in Österreich 

Der Schwangerschaftsabbruch war in Österreich bis 1975 verboten. Der Paragraph 144 des Strafgesetzbuches stellte ihn – und auch den Versuch eines Abbruchs – unter Haftstrafe. Während der NS-Zeit wurde Abtreibung mit dem Tod bestraft, mit dem Beginn der Zweiten Republik wurde der aus der Zeit Maria Theresias stammende Paragraph wieder eingesetzt.

In den frühen 1970er-Jahren erhob die autonome Frauenbewegung die Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs schließlich zu einer ihrer zentralen Forderungen, Unterstützung erhielt sie vor allem von KPÖ-Frauen und Sozialdemokratinnen. Die sozialdemokratische Partei hatte bereits in der Ersten Republik eine Liberalisierung der Abtreibungsgesetze gefordert. Insbesondere Frauen, die nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügten, trugen aufgrund unsachgemäß durchgeführter Schwangerschaftsabbrüche häufig schwere körperliche und psychische Schäden davon – oder bezahlten sogar mit ihrem Leben.

Als die SPÖ 1971 erstmals die absolute Mehrheit im Parlament gewann, legte Justizminister Christian Broda einen Entwurf für die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs vor. Dieser Entwurf enthielt lediglich eine erweiterte Indikationslösung, also die Möglichkeit des Abbruchs bei bestimmten gegebenen Umständen. Unter anderem auf Druck der Frauenorganisation der Partei änderte Broda jedoch seine Position, die BefürworterInnen der sogenannten „Fristenlösung“, die den Schwangerschaftsabbruch innerhalb einer bestimmten Frist erlaubt, setzten sich durch.

„Ob Kinder oder keine, entscheiden wir alleine“ und „Mein Bauch gehört mir“ war auf Transparenten von Aktivistinnen der Frauenbewegung(en) zu lesen, die zu dieser Zeit für das Selbstbestimmungsrecht von Frauen über ihren Körper kämpften und vermeintlich private Themen in den öffentlichen Raum trugen.

Die Bewegung(en) in Österreich erhielten Rückenwind durch eine Aktion in Frankreich, die Alice Schwarzer später im „Stern“ nach französischem Vorbild wiederholte. Im „Le manifeste des 343 salopes“ in der Zeitschrift „Le Novel Observateur“ bekannten sich 343 Französinnen dazu, abgetrieben zu haben – unter ihnen waren Simone de Beauvoir, Catherine Deneuve und Jeanne Moreau.

Bei einer aufsehenerregenden Demonstration auf der Wiener Mariahilfer Straße im Winter 1972, die von der AUF (Aktion Unabhängiger Frauen) und dem „Aktionskomitee zur Abschaffung des § 144“ organisiert worden war, ließ sich die Aktionskünstlerin Erika Mis in einem Käfig, begleitet von Richter, Arzt und Priester, durch die Einkaufsstraße ziehen.

Konservative Kreise, allen voran die katholische Kirche, stellten sich gegen die geplante Gesetzesänderung, die „Aktion Leben“ organisierte ebenfalls Protestaktionen und 1975 schließlich ein Volksbegehren zum „Schutz des menschlichen Lebens“, das fast 900.000 Unterschriften erhielt. 1973 wurde die Fristenlösung mit den Stimmen der SPÖ im Parlament beschlossen – ÖVP und FPÖ hatten sich von Beginn an dagegen gestellt –, mit Jahresbeginn 1975 trat sie schließlich in Kraft. Schwangerschaften können seither innerhalb der ersten drei Monate straffrei abgebrochen werden, der Abbruch muss von einer Ärztin oder einem Arzt durchgeführt werden.

Trotz dieses Erfolges sind verschiedene Forderungen der Frauenbewegung(en) heute nach wie vor nicht erfüllt. Der Schwangerschaftsabbruch ist noch immer im Strafgesetz (Paragraph 96, 97 und 98) – und nicht wie etwa in Frankreich im Gesundheitsgesetz – geregelt; da die Krankenkassen die Kosten nicht übernehmen, stellt er viele Frauen vor finanzielle Probleme. LeiterInnen öffentlicher Krankenhäuser können zudem entscheiden, ob Schwangerschaftsabbrüche in ihrem Spital durchgeführt werden sollen, auch schreibt das Gesetz nicht vor, welche Ärztinnen und Ärzte einen Abbruch durchführen dürfen. Selbst für GynäkologInnen sind Schwangerschaftsabbrüche kein verpflichtender Teil ihrer Ausbildung.

Feministische Gruppierungen kämpfen daher nach wie vor für eine Verbesserung der Bedingungen in Österreich – die alte Forderung der straffreien Abtreibung auf Krankenschein soll endlich Realität werden.

 

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„Unsere neue Regierung muss einen Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik herbeiführen, bei uns in Österreich. Und es muss auch in Europa – besonders nach dem hundertfachen Tod vor Lampedusa – eine menschliche Flüchtlings-, Migrations- und Entwicklungspolitik eingefordert werden. Österreich soll in der EU mit Nachdruck darauf drängen und mit gutem Beispiel vorangehen!“, fordern zahlreiche Organisationen in Österreich. Die dazugehörige Petition könnt ihr noch bis zum 15. Oktober unterschreiben.

„Und leider, nach der Wahl ist vor der Wahl: Bei den derzeitigen Parteiengesprächen und bei personellen und strategischen Plankastenspielen kommen Frauenpolitik und auch das Wählerinnenverhalten nicht vor“, schreibt der österr. Frauenring in einer aktuellen Aussendung und fordert unter anderem „Regierungsverhandlungen, die Frauenpolitik explizit zum Thema machen“.

Ulli Koch hat Karin Ondas und Eva Taxacher vom feministischen Archiv „Doku Graz“ interviewt, das Ende des Jahres schließt.

Einen großartigen Beitrag gegen den sexistischen Alltag hat die Autorin Bente Varlemann beim ZDF.Kultur Poetry Slam 2013 abgeliefert.

Feminist Mum lädt am 29. Oktober zum feministischen Müttertreffen in Wien.

Warum sind „Frauen in die Technik„-Förderprogramme in Österreich nur wenig erfolgreich? Dazu habe ich Brigitte Ratzer von der TU Wien interviewt.

Im November (7.-17.11.) findet in Wien die Alternative Medienakademie statt. Alle Infos zu Programm und Anmeldung findet ihr hier.

Das feministische Magazin „an.schläge“ führt derzeit eine Leser_innenbefragung durch, unter allen Teilnehmer_innen werden tolle Preise verlost. Noch bis zum 31. Oktober mitmachen!

„Feminismus kann niemals Lifestyle sein“

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Dieses Interview mit der feministischen Ökonomin Gabriele Michalitsch ist in der September-Ausgabe der an.schläge erschienen. 

Heute ist oft von einem „neuen Feminismus“ die Rede, der die „alte“ Frauenbewegung überwunden habe. Was verbinden Sie mit dem Begriff des „neuen Feminismus“?

Was soll denn ein „neuer“ Feminismus sein?

Etwa ein Feminismus, der behauptet, mit statt gegen Männer zu arbeiten, der Individualismus und Lifestyle-Fragen betont.

Feminismus kann niemals Lifestyle sein, Feminismus ist immer politisch. Wenn die Medien eine solche Diskussion befeuern, ist das eine Form von Antifeminismus und der Versuch, den Begriff Feminismus zu vereinnahmen, ihm seine politische Relevanz abzusprechen. Feminismus war zudem nie männerfeindlich, er wurde immer auch von Männern mitgetragen. Wenn, dann wendet er sich gegen bestimmte Konzeptionen von Männlichkeit – wie auch Weiblichkeit. Wäre dieser angeblich neue Feminismus nicht Gegenstand öffentlicher Debatten, müssten wir uns erst gar nicht damit auseinandersetzen – in meinen Augen ist das eine antifeministische Strategie.

Mitunter bezeichnen sich auch konservative Politikerinnen als Feministinnen, die thematisch auf Karriereförderung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie setzen.

Wenn man trotz Kindern Karriere macht, ist das Feminismus?

Diese Frauen verwenden zumindest den Feminismus-Begriff und füllen ihn mit neuen Inhalten. Da stellt sich die Frage: Brauchen wir einen neuen Begriff, um ihn von solchen Definitionen abzugrenzen?

Nein, vielmehr müssen wir ihn verteidigen gegen solche Aushöhlungsversuche. Wenn Feminismus auf Karriere mit Kindern reduziert wird, ist das das Ende des Feminismus.

Schon seit längerem kritisieren feministische Stimmen, dass die Analyse sozialer und ökonomischer Verhältnisse zugunsten Fragen von Identität und Repräsentation verdrängt wurde. Was steckt hinter dieser Entwicklung?

Ja, das war in den vergangenen Jahrzehnten sicher der Fall. Es hat in den Geistes- und Sozialwissenschaften den „cultural“ bzw. den „linguistic turn“ gegeben. Das hat sich auch im Kontext feministischer Wissenschaften artikuliert, das hat natürlich mit gesellschaftlichen Verhältnissen zu tun und spiegelt die politischen Konjunkturen des Denkens wider. Ich meine aber, dass zurzeit die kritische Analyse eine starke Re-Ökonomisierung erfährt. Angesichts der Krise hat es hier doch eine deutliche Diskursverschiebung gegeben.

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