ArchiveJuni 2012

Science: It’s a white man’s thing

S

Science: It’s a girl thing„, mit dieser Kampagne versucht die Europäische Kommission derzeit, Mädchen für Natur- und Technikwissenschaften zu begeistern. Und wieder einmal – Überraschung! – wird nicht daran gearbeitet, die Vergeschlechtlichung von Technik (=männlich) aufzubrechen, nein, junge Frauen in High Heels dürfen Nagellack und Lippenstift erforschen und für die Kamera posieren (das Video wurde mittlerweile zurückgezogen):

„Technische Kompetenz macht einen integralen Bestandteil männlicher Geschlechtsidentität aus. Technikfelder können als Kultur verstanden werden, in der die Beziehungen von Männern untereinander ausgedrückt und verfestigt werden. Warum sollen Frauen technische Kompetenz erstrebenswert finden, solange sie Ausdruck männlicher Geschlechtsidentität ist?“, fragt Technikwissenschafterin Brigitte Ratzer.  Diese Kultur habe ich etwa anhand eines ganz konkreten Beispiels erlebt: Vor Jahren habe ich in einem Projekt für einen Fahrzeugtechnik-Studiengang gearbeitet, wo über 90 Prozent der Studierenden Männer waren. Jährlich wurde dort ein Rennbolide konstruiert, der in einer Art Formel 1 für Studierende zum Einsatz kam. Schon über die Auswahl des Fahrers hätten mehrere Männlichkeitsforscher_innen eine Arbeit schreiben können, begleitet wurde das Projekt von Marketing-Aktionen wie einem Kalender mit halb nackten Frauen, in einem Werbevideo buhlten die Studierenden mithilfe von lautstarkem Motoren-Sound um Frauen.

Wie sich die eine Studentin in dem Jahrgang, für den ich gearbeitet habe, gefühlt hat, kann mensch sich vorstellen. Aber vergeschlechtlichte Strukturen sind nicht immer so plakativ und offensichtlich, Ausschlussmechanismen finden sich auf allen Ebenen – der Wissenschaftsbetrieb ist vielerorts weiß und männlich (siehe auch horizontale und vertikale Segregation am Arbeitsmarkt). Und den Nackt-Kalendern und Rennwagen will die Europäische Kommission offensichtlich Lippenstift und modische Schutzbrillen entgegensetzen. Genau diese Strategie ist bisher nicht aufgegangen – viele dieser Projekte (in Österreich) waren und sind wenig erfolgreich. Die meisten „Frauen in die Technik“-Programme (re)produzieren Geschlechterstereotype und bleiben schon sprachlich in einer vergeschlechtlichten Logik verhaftet: Wenn (Natur-)
Wissenschaft (auch) eine Sache für Frauen und Mädchen ist, dann gehört die nur scheinbar unmarkierte Wissenschaft offensichtlich den Jungs.

Wie wäre es denn einmal mit elementaren Bildungsmaßnahmen, geschlechtersensibler Pädagogik und entsprechenden Gesetzen statt sexistischer Kampagnen-Politik? Oder sucht die Industrie etwa nur nach Frauen, die technische Lösungen für Frauen entwickeln, um sie so besser an Frauen vermarkten zu können? Denn darum geht es doch schlussendlich: um die Fähigkeiten und Talente von Frauen (oder wahlweise Migratisierten), auf die der Markt (noch) nicht zugreifen kann.

Link: Kritik an der Kampagne (Video) 

 

Verlinkt

V

In der Zeit ist ein Artikel über aktuelle feministische Bewegungen erschienen („Von Amazonen und Schlampen„), der für Ratlosigkeit und Verärgerung unter feministischen Bloggerinnen gesorgt hat. Kommentare dazu findet ihr auf der Mädchenmannschaft, bei sanczny und bei den Fuckermothers.

Lesetipp: Die aktuelle Ausgabe der aep Informationen (Feministische Zeitschrift für Politik und Gesellschaft) widmet sich dem Thema „Migrantinnen im Diskurs“ und kann hier bestellt werden. Einige interessante Beiträge: Denkwerkstatt-Bloggerin Betina Aumair schreibt über Empowerment-Rhetorik und Paternalismus, an.schläge-Redakteurin Vina Yun über „F.A.Q. Zweite Generation“. Interessante Beiträge zum Thema Migration gibt es außerdem online auf Migrazine.at.

Anita Sarkeesian von Feminist Frequency hat eine Video-Serie zu „Tropes vs. Women in Video Games“ angekündigt und ihr Projekt auf der Plattform „Kickstarter“ zur Finanzierung eingereicht. Die Reaktionen: ein eklinger Shitstorm – Beschimpfungen, Bedrohungen und auch ihr Wikipedia-Eintrag wurde verunstaltet. Anita hat das Ganze öffentlich gemacht, um zu zeigen, womit Feministinnen im Netz konfrontiert sind. Die gute Nachricht: Ihr Projekt wurde von unglaublich vielen Menschen unterstützt, Links zu Artikeln darüber findet ihr hier.

Am Wochenende fand in Wien die 17. Regenbogenparade statt. Links zu Berichten und Fotos findet ihr bei der HOSI Wien.

Save the date: Von 19. bis 22. September findet in Wien die FrauenSommerUni statt. Das Programm wird im Juli bekannt gegeben.

Ask a Man

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Journalist_innen sind mehrheitlich männlich, Männer* kommen in den Medien häufiger zu Wort, treten öfter in Diskussionssendungen auf und werden öfter als Experten zitiert.
Das amerikanische Forschungsprojekt 4th Estate hat die mediale Bericherstattung rund um den Wahlkampf 2012 auf diesen Gender Gap hin ausgewertet, analysiert wurden ausgewählte nationale Zeitungen, TV-Sendungen und Radiosendungen.

Die Forscher_innen haben sich dabei unter anderem angesehen, welche Personen in Zusammenhang mit so genannten „Women’s Issues“ (Abtreibung, Verhütung, Planned Parenthood, Frauenrechte) in einem Zeitraum von sechs Monaten zitiert wurden. Das Ergebnis ist ernüchternd: Zum Thema Abtreibung kamen etwa in 81 Prozent der Fälle Männer* zu Wort, auch beim Thema Frauenrechte allgemein sind es immer noch 52 Prozent.

4th Estate hat die Daten auch nach einzelnen Medien bzw. Medienunternehmen aufgeschlüsselt, ebenso finden sich auf der Seite Daten zu den Top-Printjournalist_innen – analysiert wurde auch hier, wie häufig sie Frauen zitieren.

„But we’re still underrepresented in our government, in boardrooms across America, in the economic recovery hecovery, and in the national meta conversations about why all of that might be. It’s a shameful stain on traditional media that even conversations about women are still being held mostly by men. We can’t possibly hope to eradicate institutional discrimination, not to mention cultural misogyny, if we can’t even get our voices heard. But that’s the lesson from this week’s reports: Shut up, little ladies, and stick to not-of-general-interest pink subjects, so Very Serious Men can tell us what we should think about ourselves“, schreibt Kaili Joy Gray auf DailyKos.com dazu.

Weitere Artikel zur Studie von 4th Estate:
The Daily Beast  Men Rule Media Coverage of Women’s News
Slate.com Want Insight on Women? Ask a Man

Mein Körper, mein Problem

M

Die „Bikini-Saison“ hat – zumindest medial – begonnen. Sobald die Temperatur als sommerlich gilt, zeigen sich Frauen* nur noch in Bikini oder Badeanzug in der Öffentlichkeit, könnte mensch angesichts des Umfangs der Berichterstattung meinen. Natürlich – für die Mode- und Kosmetikindustrie und damit indirekt auch die Medien, die sich über Werbung finanzieren, ist diese wohl überlebenswichtig.

„Dabei leben wir nicht in Bankok oder auf den Bermudas, sondern in Mitteleuropa. Die überwiegende Mehrheit der Frauen hat überhaupt nicht die Gelegenheit dazu, sich einfach mal eben schnell die Kleider vom Leib zu reißen, in einen Bikini zu schlüpfen und zum Strand runter zu gehen. (..) Insgesamt kann eine Frau, wenn überhaupt, nur äußert wenig Zeit im Bikini zubringen. Wozu also der Aufwand?“, schreibt Laurie Penny.

Die „Bikini-Figur“ hat sich aber als Bezugspunkt durchgesetzt, sie ist zum „kulturellen Kürzel für einen moralischen Standard weiblicher Perfektion“ geworden. Dass Bademode einfach praktisch sein könnte oder die Gelegenheit bietet, sich die Sonne auf die (nackte) Haut scheinen zu lassen, ist längst vergessen. Die „Bikini-Figur“ ist da, um von anderen betrachtet und beurteilt zu werden, mediale Bilder präsentieren uns dabei normierte Körper. Wenn einzelne  Unternehmen dazu übergehen, nicht „perfekte“ Frauen* zu zeigen, so werden dieses stets in Bezug zur Norm gesetzt – und das geschieht niemals kommentarlos. Die markierten anderen Körper werden als (trotzdem) „zeigbar“ präsentiert und abermals in Kategorien eingeteilt.

Verschiebt sich wirklich etwas, wenn Unilever uns im Rahmen der Dove-Kampagne die angebliche Frau von nebenan zeigt, während in den Axe-Werbungen (die Wirtschaft beweist ihre Flexibilität) ein gänzlich anderes Frauenbild zu finden ist? Oder wenn Model-Agenturen gesundheitsgefährdende BMI aus ihren Katalogen verbannen?

„Der eigene Körper ist für viele Menschen ein Quell des Unbehagens, vor allem in der Bademodenzeit – Muss das sein?“ wird aktuell auf derstandard.at gefragt. Auch wenn die Foto-Strecke  Körper-Ideale zum Thema macht, so reiht sie sich doch in dieselbe Logik ein: Der Köper von Frauen* ist eine Problemzone. Fünf Frauen wurden befragt, „wie sie mit den herrschenden Körperbildern umgehen“. Diese Fragen dürfen sie beantworten, während sie in Bademode abgelichtet werden. „Wie wichtig ist Ihnen der Blick der anderen?“, wird da noch nachgehakt.

Und genau das ist das Problem. „The truth is, the ‚bikini body‘ craze goes so much deeper than fatism or fatphobia. It is part of our society’s relentless insistence that a woman’s body is not her own. It is an object, to be gazed upon, to be commented on, to be pored over with a magnifying glass. It’s as though we believe that a woman wears a bikini not for herself, because it feels good to have the sun on her skin, but for the public to consume her anatomy“, ist dazu auf jezebel.com zu lesen.

Denise Kotlett liefert übrigens eine sehr gute Antwort auf die Frage: „Gibt es für Sie einen idealen Körper?“ in der Standard-Serie:  „Ich finde das eine doofe Frage, ich kann einen Körper nicht von einer Person trennen. Aber natürlich gibt es Personen, die ich begehre.“

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