ArchiveJuli 2010

Kurz und komplex

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Zwei Autoren, denen vermutlich jede_r begegnen wird, der/die Gender Studies oder Sprache in irgendeiner Form studiert: Lacan und Derrida. Hier hat jemand den Versuch der Ein-Minuten-Wissenschaftskommunikation gestartet:

Burka, Wehrpflicht und Co

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Ein Kleidungsstück, das in Europa nur von sehr wenigen Frauen getragen wird, löst heftige Debatten aus: die Burka. Nach einem kürzlich beschlossenen Verbot in Frankreich und auch Belgien meldet sich alles, was Rang und Namen hat, zu Wort. Alice Schwarzer spricht sich (wie zu erwarten) für ein Burka-Verbot aus: Link. Die Kulturwissenschafterin Gabriele Dietze gibt in einem diestandard-Interview interessante Einblicke in die Hintergründe der Debatte: Link. Weitere Kommentare hat die Mädchenmannschaft gesammelt.

Bundespräsident Heinz Fischer hat jüngst in einem Interview mit den Vorarlberger Nachrichten verlauten lassen, dass eine Wehrpflicht für Frauen aus seiner Sicht denkbar wäre. „Wenn Frauen irgendwann den Männern voll gleichgestellt seien, etwa bei den Löhnen, könne man über eine Wehrpflicht für Frauen nachdenken, allerdings langfristig“, meint dazu Norbert Darabos. (In diesem Fall würde uns in den nächsten zwei-, dreihundert Jahren wohl keine Frauen-Wehrpflicht bevorstehen.) Gabriele Heinisch-Hosek kann sich die Wehrpflicht „am Ende des Weges“ einer Gleichstellung vorstellen. Ähnlich, aber mit anderem Schwerpunkt, hat die Frauenministerin das im Denkwerkstatt-Interview formuliert: Link.

Noch bis morgen steht Wien ganz im Zeichen der internationalen Aids-Konferenz. Diestandard.at berichtete gestern über eine Pressekonferenz, die von Sexarbeiterinnen gestürmt wurde, im Standard findet sich ein Bericht zu einem neu entwickelten Vaginal-Gel, das Frauen vor HIV-Infektionen schützen soll. Weitere Berichte gibt es hier.

Ein unglaublich peinliches, sexistisches und rassistisches Interview hat Eugen Freund mit der Halbschwester von Barack Obama geführt. Das Gespräch mit Auma Obama hätte der ORF wohl lieber nicht senden sollen. Nachzusehen in der ORF-TvThek

In eigener Sache

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Gleich zu Beginn: Wie ihr vielleicht bemerkt habt, war die Kommentar-Funktion bei den letzten paar Blogeinträgen deaktiviert. Unabsichtlich. Problem bereits behoben!

Und: Die Denkwerkstatt gibt es nun seit mittlerweile acht Monaten, wir steuern langsam, aber sicher auf den 100. Eintrag zu und ein Relaunch ist mehr als überfällig! Das Ziel: Das Ganze soll noch im Sommer passieren. Mit neuem Look und neuer Adresse.

Zu guter letzt: Was mich immer wieder amüsiert, sind Suchanfragen, die User_innen auf die Denkwerkstatt führen. Leider muss ich zugleich aber schon viele Menschen enttäuscht haben, da sie auf meinem Blog wohl nicht die passenden Antworten auf ihre brennenden Fragen gefunden haben.

Klaus Rieser hat etwa im Denkwerkstatt-Interview spannende Sachen zu Filmwissenschaft und Männlichkeit erzählt, ob Johnny Depp zugenommen hat und ob er Schildkröten mag – dazu liefert der Beitrag leider keine Einsichten. Natürlich wird auch nach der sexuellen Orientierung des Schauspielers gesucht, überhaupt interessieren sich sehr viele Menschen dafür, ob Fußballer, Moderatoren, Schauspieler und Politiker homosexuell sind. Am häufigsten wurde hier nach Karl-Heinz Grassers sexueller Orientierung gesucht, dessen Männlichkeit und die Angriffe darauf ich in „Der schöne Karl-Heinz“ zu analysieren versucht habe.

Ganz und gar nicht jugendfreie Suchanfragen bescherte mir der Artikel über Bushido und Co. Da werden Dinge in Suchmaschinen getippt, die ich nicht einmal aussprechen könnte. Zitierte Passagen im Text haben auch dafür gesorgt, dass einige Angestellte in Unternehmen meinen Blog nicht mehr lesen können. Porno-Filter. Dennoch wird der Kommentar vorerst nicht gelöscht. Ob Frauen die besseren Menschen sind, das wollten schon viele User_innen wissen. Ich selbst habe diese (nicht ganz ernst gemeinte) Frage angsichts der Debatte um die österreichische Bundeshymne gestellt.

Der Winzer Leo Hillinger hat in der ORF-Doku-Soap „Das Match“ quasi seine Männlichkeit eingebüßt und bekam von Herbert Prohaska den Spitznamen „Leonie“ verpasst. Diesen Namen wird er wohl nicht mehr so schnell loswerden, allein über 200 Mal führte „Leonie Hillinger“ auf meine Analyse der TV-Sendung.

„Was bedeutet es, wenn mich mein Freund Prinzessin nennt?“ hat auch jemand in eine Suchmaschine getippt. Ebenso: „Was unterscheidet Männer vom Tier?“. Nun gut, auf eine Frage hätte ich wirklich gerne eine Antwort gegeben: „Welcher Glaube ist wahr?“ Ich werde das demnächst mit Religionswissenschafter_innen diskutieren. Bis dahin: Bitte um Geduld!

Brachial sexistisch

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Wir müssen uns auch darum kümmern, wie die Frauen ihre Kinder nicht nach zwei Monaten wegschmeißen, sondern nach ein, zwei, drei, vier Jahren in einer entsprechenden Einrichtung unterbringen können“ , ließ IHS-Chef Bernhard Felderer gestern im Rahmen einer Pressekonferenz über Arbeitsplätze im Tourismus verlauten.
Sozialminister Hundstorfer stellte lediglich fest, dass es wohl so viele Frauen im Tourismussektor gibt, weil „sie das einfach besser können“.

Diestandard.at verteilt dafür eine Zitrone, einen Kommentar gibt es auch von Elisabeth Gollackner auf FM4.

Wehrpflicht für alle?

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Eine allgemeine Wehrpflicht existiert nur noch in 6 von insgesamt 27 EU-Staaten – einer davon ist Österreich. Abschaffen? „Nein“, sagen Verteidigungsminister Norbert Darabos und Bundespräsident Fischer. Das jetzige System habe sich „im Großen und Ganzen“ bewährt. Kostenintensiv und ineffizient, sagen dazu andere. Österreich ist nicht von feindlichen Staaten umgeben und hat keine Fronten zu verteidigen, sinnvolle Tätigkeiten des Bundesheeres beschränken sich im Wesentlichen auf Katastrophenhilfe und Auslandseinsätze.

Doch wohin mit dem Zivildienst, wenn es keine Wehrpflicht mehr gibt? 83 Prozent der Österreicher_innen wünschen sich laut einer Profil-Umfrage in diesem Fall einen verpflichtenden Sozialdienst – 64 Prozent auch für Frauen. Dass die allgemeine Wehrpflicht für Männer diese diskriminiert, wird schon lange diskutiert. „Wenn die Frauen Gleichberechtigung wollen, dann sollen sie auch zum Bundesheer“, ist ein beliebtes Argument in Debatten um die Egalität. Tatsächlich bleibt jungen Frauen der verpflichtende Dienst an der Waffe und damit ein Jahr lang schlecht bezahltes Robben im Schlamm erspart. Auch den alternativen, ebenso schlecht bezahlten Zivildienst müssen sie nicht ableisten. „Wir beschäftigen unqualifizierte junge Männer in Bereichen die qualifzierte Kenntnisse erfordern. Junge Männer, die aufgrund eines Zwanges ihre Arbeit verrichten und während ihres Zivildienstes auch auf Einkommen, Bildungsfortschritte und Lebensqualität verzichten müssen„, schreibt Michael Moser auf zurpolitik.com.

Historisch gesehen handelt es sich bei der Männer-Wehrpflicht natürlich in keinster Weise um eine Bevorzugung von Frauen. Frauen wurden (und werden) nicht als fähig angesehen, den Staat zu verteidigen, auch auf die politische Entscheidung betreffend Dienst an der Waffe hatten sie keinen Einfluss: Nachdem sie aus der politischen Sphäre ausgeschlossen waren, konnten sie auch nicht über ihr kämpferisches Schicksal entscheiden. Sollte dafür ein heute 18-jähriger Mann büßen? Wohl kaum. Und die junge Frauen-Generation von morgen? Auf keinen Fall.

Wenn die allgemeine Wehrpflicht in Österreich auch für Frauen gelten würde, liegt es nahe, wie die Statistiken von morgen aussehen würden: Männer leisten ihren Dienst an der Waffe, Frauen pflegen Alte und Kranke. Dass Frauen beim Heer gemobbt werden, zeigte erst eine kürzlich veröffentlichte Studie. Und wie sich das österreichische Bundesheer einen vermehrten Einsatz von Frauen vorstellt, hat es in einem Werbespot präsentiert, der halb Europa schockierte und amüsierte. Wie viele Frauen würden sich also freiwillig in ein solch sexistisches Umfeld begeben? Von den zementierten Rollenvorstellungen in unserem Lande erst gar nicht zu sprechen.

Der verpflichtende Sozialdienst, der wäre doch aber geschlechtsneutral und gerecht? Angesichts der gegenwärtigen Verteilung von unbezahlter Arbeit in Österreich wohl kaum. Frauen erziehen Kinder, pflegen Alte und Kranke. Unbezahlt. Und sollen das dann auch noch ein Jahr lang verpflichtend und schlecht bezahlt machen. Zudem kann man/frau sich vorstellen, wo Frauen und Männer künftig gehäuft eingesetzt würden in den Gedenkstätten, Sportvereinen, Altersheimen und den Rettungsdiensten.

Doch halt, würde man/frau  mit einer „ausgleichenden Gerechtigkeit“ argumentieren, so wäre auch hier etwas faul. Würden Männer aufgrund der herrschenden Umstände zum Sozialdienst verpflichtet und Frauen nicht, so werden wiederum geschlechtliche Vorurteile und Rollenbilder festgeschrieben: Frauen leisten ja später die unbezahlte Arbeit für den Staat, also müssen sie das mit 18 noch nicht. Überhaupt zeigt sich an diesem Beispiel die Ungerechtigkeit einer Einteilung in zwei Geschlechtsgruppen: Nicht jede Frau widmet sich der Kinder- und Altenpflege, nicht jeder Mann hat lebenlang nichts mit Hausarbeit und sozialen Tätigkeiten zu tun.

Eine allgemeine Wehrpflicht für alle Bürger_innen kann also ebenso keine Lösung sein wie ein verpflichtender Sozialdienst. Zumindest, wenn es um Geschlechtergerechtigkeit geht.

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