Gekommen, um zu gehen

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Dieser Artikel ist bereits in der Dezember/Jänner-Ausgabe der an.schläge erschienen.

Über zehn Jahre nach dem Platzen der „Dotcom-Blase“ erleben Internet-Startups einen neuen Boom. Für die GründerInnenszene gilt: jung, männlich, erfolgreich.

Ein unscheinbares Schild in einem Hinterhof in Wien Margareten weist den Co-working-Space „Sektor5“ in der Siebenbrunnengasse aus. Auf insgesamt 580 Quadratmetern stehen hier Arbeitsplätze für „mobile ArbeiterInnen“ – FreiberuflerInnen und kleine Startups – zur Verfügung, Tickets können auch tageweise oder für einen Monat erworben werden. Statt Teppichboden und sterilen Büromöbeln gibt es hier Designerstühle und „Chillout Zones“, hinter der Bar beim Eingang stapeln sich Bierkisten und Club-Mate-Flaschen, ein Getränk, das in Deutschland den Beinamen „Hackerbrause“ trägt. Im „Sektor5“ ist auch der Verein AustrianStartups beheimatet, eine unabhängige Plattform, die die Sichtbarkeit der österreichischen Startup-Szene erhöhen möchte und Unterstützung für GründerInnen anbietet – wobei es derzeit überwiegend Gründer sind

Was ein Startup-Unternehmen eigentlich genau ist, lässt sich nur schwer in einer Lehrbuchdefinition festhalten. Für Christoph Jeschke, Geschäftsführer von AustrianStartups, sind es vor allem das große Wachstumspotenzial, Innovation und die Skalierbarkeit – sprich die Expansionsfähigkeit eines Geschäftsmodells –, die ein Startup ausmachen. „Nur weil ich wachsen möchte, muss ich dann nicht 25 neue Mitarbeiter anstellen“, sagt der 27-jährige Jeschke, der bereits in der Vermögensverwaltung und im Kulturmanagement gearbeitet hat und sich nun auf Online-Marketing spezialisiert; und verweist auf das Vorzeige-Startup Runtastic, das seine Sport- und Fitness-Apps von Oberösterreich aus in die ganze Welt verkauft.

Kein Krawattenzwang. CEO Florian Gschwandtner, der Runtastic mit 26 Jahren mitgegründet hat, gilt als Vorzeige-Unternehmer der österreichischen Startup-Szene. Es sind überwiegend junge Männer, Techniker und Betriebswirte, die sich auf den unzähligen Konferenzen und Vernetzungs-Events tummeln. „Your idea, 90 secs and 5.000 EUR. Sounds nice, right?“, ist in einer Veranstaltungsankündigung der Jungen Wirtschaft Steiermark zu lesen. Adressiert wird eine Zielgruppe von GründerInnen – auf entsprechenden Plakaten sind meist nur Männer zu sehen –, die kaum etwas mit der traditionellen Vorstellung des Unternehmers in Anzug und Krawatte zu tun haben. „Es gibt sehr flache Hierarchien und eine spielerische Unternehmenskultur in der Startup-Szene“, erzählt Jeschke. „Wenn es darum geht, einen Spaßminister im eigenen Startup anzustellen, der für gute Stimmung sorgt, sieht man schon, dass es nicht so ernst zugeht wie in einer Unternehmensberatung oder einer Bank.“

Medial in Szene gesetzte Vorbilder sind etwa der 29-jährige Facebook-Milliardär Mark Zuckerberg oder eBay-Gründer Pierre Omidyar – das kalifornische Silicon Valley als Zentrum der Technologie-Konzerne ist nach wie vor das Reiseziel der GründerInnen. In Deutschland kommt niemand, der/die sich in der Internet-Startup-Szene bewegt, an den Samwer-Brüdern vorbei. Marc, Oliver und Alexander Samwer haben sich auf sogenannte „Copycats“ spezialisiert: 1999 gründeten sie den eBay-Klon Alando und verkauften das Unternehmen sechs Monate später für 43 Millionen Dollar an eBay selbst. Mittlerweile agieren die Samwers als Risikokapitalgeber und investierten in ertragreiche Plattformen wie Myvideo.de und das Social-Media-Portal Studivz.net. In den Medien häufen sich kritische Berichte über die Jungmillionäre: Ihr Erfolg beruhe vor allem darauf, dass sie „härter und rücksichtsloser“ als ihre KonkurentInnen wären, schreibt etwa das deutsche „Manager Magazin“. Die Samwer-Brüder halten aktuell etwa Anteile am Online-Versand Zalando, der auf billige Arbeitskräfte setzt und laut Medienberichten staatliche Förderungen in Millionenhöhe kassiert. Ihr 2007 gegründetes Unternehmen Rocket Internet ist das größte „Internet Inkubator“ – eine Art Gründungszentrum, das in Neugründungen investiert.

Technical-Due-Diligence. Im Bereich der Unternehmensgründungen wimmelt es nur so von Begriffen, die sich zu einer Insider-Sprache zusammenfügen: Von „Exits“ (der möglichst profitable Verkauf von Unternehmen bzw. Anteilen) und „Business Angels“, eine Art finanzkräftiger Mentor, ist da die Rede. Und: Das Startup-Leben ist mittlerweile in der Popkultur angekommen. Am 25. November startete auf dem österreichischen Privatsender „Puls 4“ die Startup-Show, die sich „2 Minuten 2 Millionen“ nennt, Vorbild ist die US-amerikanische Reality-Show „Shark Tank“. Fünf „Business Angels“ sitzen in der Jury und verteilen Geld an Startups, moderiert wird die TV-Show von Daniel Cronin, Mitbegründer von AustrianStartups. Im Show-Trailer werden große Männer mit großen Ideen vorgestellt, etwa der Post-it-Erfinder Art Fry oder Apple-Gründer Steve Jobs.

Die Medien schreiben diese Mythen mit, Magazine und Zeitungen sind voll von Geschichten junger Unternehmer, die schon mit 21 ihren Harvard-Abschluss in der Tasche hatten oder ihre erste Million noch während der Schulzeit auf dem Konto verbuchten. Es ist eine männliche Kultur, die sich da in der (Internet-)Startup-Szene etabliert hat, Frauen sind – zumindest auf der Ebene der Geschäftsführung – in der Minderheit. Eine von ihnen ist die Oberösterreicherin Maria Baumgartner – dDie ausgebildete Krankenschwester gründete im Jahr 2000 die Webagentur Datenwerk mit, verkaufte ihre Anteile ertragreich an einen strategischen Investor und war danach in verschiedenen Unternehmen in Leitungsfunktion tätig. Ihr jüngstes Gründungsprojekt nennt sich „Maria’s Wilder Smoothie“, im Gespräch erzählt sie von den Umgangsformen im Silicon Valley, wo sich GeschäftspartnerInnen telefonisch abmelden, wenn sie am Wochenende nicht erreichbar sind, von ihren vier Kindern und der verrückten Zeit, bevor die „Dotcom-Blase“ platzte.

Boys Club. „In der Chefetage war ich als Frau schon immer sehr einsam“, sagt die Unternehmerin. „Klar gibt es viele Projektleiterinnen, aber in diesem Bereich herrschte schon immer eine Burschenkultur, das ist schade.“ Maria Baumgartner spricht von Arbeitszeiten jenseits des 9-to-5-Büroalltags und dem ständigen Risiko des Scheiterns. „Vielleicht machen es deshalb auch so wenige Frauen. Als Mann ist es okay, wenn ich mich eine Zeit lang nur auf die Karriere konzentriere, an Frauen gibt es so viele andere Erwartungen“, sagt sie. Diese „Burschenkultur“ schlägt sich nicht zuletzt auch auf dem Gehaltszettel nieder. Eine Umfrage des deutschsprachigen Online-Magazins „Gründerszene“ ergab Gehaltsunterschiede von 15 bis dreißig Prozent zugunsten der Männer quer über alle Hierarchie-Ebenen hinweg.

Die männliche Dominanz innerhalb der Gründerszene manifestiert sich  zum Teil bereits im Bildungsweg: Frauen wählen an Wirtschaftsuniversitäten eher Schwerpunkte wie Marketing, Männer sind an technischen Hochschulen und etwa in der Informatik – Grundlage vieler Internet-Startups – überrepräsentiert. „Vielleicht sind die Männer risikobereiter?“, mutmaßt Brigitte Pfisterer. „Generell gibt es in technischen Berufen immer noch viel zu wenige Frauen, das ist mir schon im Studium aufgefallen“, sagt die Informatikerin, die mit Myfly.cc, einem „Live Service Marketplace“, gerade an ihrem zweiten Startup arbeitet. „Der Vorteil an der Selbstständigkeit ist sicher, dass du dein Unternehmen und Projekt selbst gestalten kannst, jedoch auch zugleich ,Gefangene‘ deines Projekts bist. Arbeiten rund um die Uhr ist kein seltener Fall“, erzählt Pfisterer.

Entrepreneure. Die Notwendigkeit technischer Innovationen wird auch am Institut für Entrepreneurship und Innovation an der Wirtschaftsuniversität betont, wo man den StudentInnen „unternehmerisches Handeln“ beibringen möchte. „Die Technik ist die wichtigste Schnittstelle für uns. Wir haben tolle Techniker, Erfinder, Forscher, die sich schwer tun, ihre Ideen unternehmerisch umzusetzen“, sagt Institutsvorstand Nikolaus Franke. Eine männliche Dominanz im Bereich der Unternehmensgründungen sieht auch der Wirtschaftsprofessor, die er „nicht bewerten“ möchte, gerade an seinem Institut würden viele Frauen arbeiten, auch gebe es viele Beispiele erfolgreicher Gründerinnen – etwa Sofie Quidenus, die noch während ihres Studiums das Unternehmen Qidenus Technologies gründete und sich auf automatisierte Buchscanner spezialisiert hat.

Ein Projektpartner des Instituts hat es in die „Puls 4“-Show „2 Minuten 2 Millionen“ geschafft: Model und Unternehmer Constantin Simon muss die Investoren (und eine Investorin) davon überzeugen, in sein „Low Carb Bier mit vollem Alkoholgehalt bei 75 Prozent weniger Kohlenhydraten und dreißig Prozent weniger Kalorien“ zu investieren. Er hat zwei Minuten.

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