Frauenmangel

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Auf orf.at wurde gestern vor einem „Frauenmangel mit ungeahnten Folgen“ in verschiedenen Ländern Asiens gewarnt. In Indien kommen derzeit 112 Männer auf 100 Frauen, in China ist das Verhältnis 118 zu 100. Grund dafür ist unter anderem die gezielte Abtreibung von weiblichen Föten, die Aktion „50 Million Missing“ in Indien spricht von einem „Female Genocide“ – zum Problem der selektiven Abtreibung kommen grausame Gewalttaten und Ermordungen von Frauen durch Partner oder Familienangehörige hinzu.

Worüber sich Journalist_innen und Bevölkerungswissenschafter_innen nun aber Gedanken machen, sind die Auswirkungen dieses „Frauenmangels“ auf (asiatische) Männer. Die „alarmierende Maskulisierung“ könne nämlich „in den kommenden 50 Jahren einen ähnlich starken Effekt auf die Erde haben wie der Klimawandel.“ Konkret sei das Problem der „Heiratsengpass“, der da auf (junge) Männer zukommt. Die prognostizierten Folgen: Prostitution, Sextourismus, Frauenhandel und sogar kriegerische Auseinandersetzungen.

„Die Politikwissenschaftlerinnen Valerie Hudson und Andrea den Boer gingen in einer umstrittenen These gar so weit zu behaupten, dass asiatische Länder mit Frauenmangel eine Gefahr für den Westen darstellen: Gesellschaften mit starkem Männerüberschuss seien nur durch autoritäre Regimes zu regieren, die häusliche Gewalt eindämmen und sie quasi exportieren – in Kolonien oder einen Krieg.“

Was erzählt uns ein solcher Artikel? Männer (die natürlich allesamt heterosexuell sind) haben ein „natürliches Anrecht“ auf eine Ehefrau. Bekommen sie diese nicht, reagieren sie mit Gewalt und können nur noch von Diktatoren im Zaum gehalten werden. Die Frage nach äußerst problamtischen Formen von Männlichkeit in verschiedenen Gesellschaften wird erst gar nicht gestellt – Männer scheinen „von Natur aus“ so zu sein. Immer wieder werden sie als tickende Zeitbomben präsentiert, die explodieren, wenn die notwendigen Ventile (wie Sex mit Frauen, gut bezahlte Erwerbsarbeit und männliche Autoritäten) fehlen. Frauen spielen in solchen Szenarien die Rolle einer „Ressource“ auf dem Heiratsmarkt, wie der Begriff „Frauenmangel“ es schon anschaulich v0r Augen führt.

Ein solcher Zugang zu Problemstellungen ist nicht nur oberflächlich und biologistisch / essentialistisch, sondern angesichts der Gewalt, die etwa Frauen in Indien erfahren, auch grausam zynisch.

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brigittethe

8 comments

  • nun, der mensch hat nun einmal – in regelfall – einen ausgepraegten fortpflanzungstrieb und wenn dieser nicht im geringsten befriedigt wird, dann staut sich frust auf. passiert auch frauen. evolution und biologie kann man nur dann wegrationalisieren, wenn die probleme nicht oder vernachlaessigbar vorhanden sind. mann und frau bilden ein natuerliches gleichgewicht und wenn dieses gestoert ist, krachts leichter. (bitte jetzt keine abhandlungen ueber gender, homosexualitaet, usw – das klammere ich hier als fuers thema irrelevant aus)

    natuerlich sind maenner nicht per se „heisslaeufer“ und frauen schon gar keine ressource, aber das problem laesst sich durch politisch korrekte sprechweisen auch nicht loesen. wie sagten eins die anti-vietnam-hippies? make love, not war!

    heilige!

  • @opryde
    Der Mensch hat einen ausgeprägten Fortpflanzungstrieb? Halte ich für ein Hirngespinst. Was Menschen in der Regel haben – mehr oder minder ausgeprägt – ist ein Sexualtrieb, der nicht mit dem Fortpflanzungstrieb verwechselt werden darf. Das Eine hat mit dem anderen nur bedingt zu tun, denn auch bei erfolgreicher Fortpflanzung haben Menschen weiterhin Sex. Oder fernab von Fortpflanzungsmöglichkeiten (Unfruchtbarkeit oder höheres Alter).

    Leider willst du genau die Themen ausklammern, die für das Thema höchstwichtig und alles andere als irrelevant sind: Gender und Homosexualität. Die Rechnung, dass es pro Männlein ein Weiblein geben sollte ist statistisch zwar richtig, von politischen, biologischen oder psychologischen Standpunkten aus gesehen eben nicht. Nicht jedeR nimmt, was gerade da ist. Nicht jedeR darf nehmen, was gewollt wird. Die Heiratsbeschränkungen an finanzielles Einkommen zu binden z.B., ist auch in Österreich noch nicht so lange her. Dass der Artikel zwar die „Sorgen der Männer“ erläutert aber in keinster Weise auf die Gewalttaten gegen Frauen eingeht, die diese ihr Leben lang zu ertragen haben (und nicht nur die genderspezifische Abtreibung/Kindstötung), ist wie Brigitte schon sagt, einfach nur absurd und zynisch.

    Und darum ist der Artikel nicht nur Humburg, sondern sprachlich gesehen sogar fahrlässig. Weil er ein falsches Bild auf die Situation wirft, die weder den Verhältnissen noch den Geschlechterbildern Rechnung tragen. Und wie soll bei derart falschen Sprachbildern eine richtige Lösung zustande kommen, die eben nicht (hetero)sexistisch ist?

  • Nun, noch besser als die Bocksprünge in der Argumentation des angekreideten Artikels sind die Bocksprünge in den Begriffen von opryde. Was bitteschön soll denn ein natürliches Gleichgewicht zwischen Mann und Frau sein? Wie zwischen Füchsen und Kaninchen? Heuschrecken und Maiskolben? Käpt’n Blaubär und die Klabautergeister?
    Die Klammer zur Ausklammerung von gender-Themen hat Khaos.Kind hinreichend kritisiert. Die ist ziemlich dämlich.

  • Jede Frau darf sich dann einen Harem voller Männer halten. Vielleicht sogar eher ein Schritt Richtung Matriarchat? 😉

By brigittethe

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