CategorySport

#Reichsparteitag

#

Gestern abend: Deutschland besiegt Australien mit 4:0 und sorgt für das erste Tor-Feuerwerk dieser Fußballweltweisterschaft. Halbzeit, 2:0. ZDF-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein freut sich auf ganz eigene Weise über den Treffer von Miroslav Klose: „Das ist für Miro Klose doch ein innerer Reichsparteitag, jetzt mal ganz im Ernst, dass der heute hier trifft.“ Wie kann man (bzw. frau) nur solch einen Vergleich ziehen, fragten sich viele überraschte / empörte Fernsehzuseher_innen.

Erst entbrannte eine Diskussion auf Blogs und Twitter, dann übernahmen die traditionellen Medien das Thema. Und da wurde es interessant. „Traditionell haben Frauen es im medialen Fußball-Umfeld schwer. Das haben gerade im ZDF immer wieder leidvoll Frontfrauen erfahren müssen von Carmen Thomas, die bis heute noch gelegentlich auf ihren Fauxpas „Schalke 05“ aus dem Juli 1973 reduziert wird, bis zu Christine Reinhart, die ab 1993 zwei Jahre lang im Sportstudio moderieren durfte“, schreibt die Welt Online.

Und weiter: „Doch Müller-Hohenstein hatte sich vor der WM sehr aggressiv zu vermarkten versucht und nun gleich bei ihrem ersten großen Auftritt schwer gepatzt: Reichsparteitage beziehen sich auf die Veranstaltungen, bei denen Adolf Hitlers NSDAP besonders ab 1933 ihre verhängnisvolle, menschenverachtende Propaganda im großen Stil ausbreitete.“

Nun, hätte der Autor das Geschlecht eines männlichen Moderators ins Spiel gebracht? Wohl kaum. Bei Katrin Müller-Hohenstein hat eine solche Formulierung (und das scheinbar fehlende Geschichtsbewusstsein) aber offensichtlich mit ihrem Fußball-Unwissen als Frau zu tun. Natürlich. Sollen wir angesichts dessen ein Auge zudrücken?

Fußball, Fußball, Fußball

F

Neuigkeiten abseits der Fußball-WM:

Der Quotenantrag der SPÖ-Frauen wurde auf dem gestrigen Bundesparteitag der Sozialdemokrat_innen einstimmig beschlossen: Ab sofort gilt das Reißverschlussprinzip. Bei der Erstellung von Listen rückt also hinter jeden Mann eine Frau und umgekehrt, somit sollen Frauen trotz 40 Prozent Quote nicht mehr auf den hintersten Plätzen landen. Blog Heinisch-Hosek

Ob lesbische Paare gute Eltern abgeben, haben in den USA Wissenschafter_innen untersucht. Die „interessante“ Fragestellung: „Kinder aus homosexuellen Familien (zeigen) eine geringere Tendenz zu aggressivem Verhalten und schneiden bei Wissenstests besser ab. In medizinischer Hinsicht bestehen hingegen keine Unterschiede.“ ORF Science

Und: Die Fußball-Weltmeisterschaft ist in vollem Gange, neben wochenlangem Mitfiebern und Entspannen bedeutet das auch jede Menge sexistische Werbung und interessante Diskussionsrunden zum Thema Fußball. Fußball ist nämlich zum beliebten Thema der Sozialwissenschafter_innen avanciert: Auf dem Rasen und in der Kabine werden die Inszenierung von Geschlecht, männliche Rituale, Homophobie und Sexismus erforscht. Ans Herz gelegt sei euch etwa die Publikation von Eva Kreisky und Georg Spitaler: Arena der Männlichkeit: Über das Verhältnis von Fußball und Geschlecht

Im Vorfeld der Europameisterschaft 2008 in Österreich hat Eva Kreisky ihre Thesen auch bei einer Konferenz an der Uni Wien vorgestellt – nachzulesen im Archiv des EM-Blogs „Kick08„. Auf „Kick08“ – wo ich selbst mitgearbeitet habe – sind auch andere spannende Beiträge zum Thema Fußball und Geschlecht zu finden. Zum Beispiel hier, hier und hier.

Gastgeberland ist in diesem Jahr Südafrika. Ein besonders grausames Detail: Dort ist es statistisch gesehen wahrscheinlicher, dass eine Frau vergewaltigt wird, als dass sie lesen lernt. Beitrag in der ORF TV-Thek

Morgen in Berlin: Fußball und Homophie, Humboldt-Universität zu Berlin
Interessante Beitrage zum Thema Fußball hat auch die Mädchenmannschaft gesammelt

Das Match

D

Wer jemals  „Die männliche Herrschaft“ von Pierre Bourdieu gelesen hat, dem muss die ORF-Dokusoap „Das Match“ (ORF 1, Dienstags 21.o5 Uhr) wie eine lehrbuchhafte Verfilmung einiger Kapitel des wissenschaftlichen Klassikers erscheinen. Für alle, die das österreichische Sendungsformat nicht kennen: Hans Krankl und Herbert Prohaska trainieren jeweils eine (Fußball-)Mannschaft aus heimischen (mehr oder minder) Prominenten, die schlussendlich gegeneinander und gegen eine deutsche Mannschaft antreten (in der ersten Auflage vor zwei Jahren hat Hans Krankl das noch alleine gemacht).

Da treffen nun also Schlagersänger, Kabarettisten, ORF-Journalisten und Schifahrer aufeinander und werden von den österreichischen Legenden Krankl und Prohaska nach ihren Vorstellungen geformt. Wöchentlich können so die faszinierenden Prinzipien männlicher Vergemeinschaftung auf ORF 1 beobachtet werden. Das beginnt schon bei der Zimmereinteilung – die Hotelzimmer müssen nämlich zu zweit bezogen werden, noch dazu stehen da Doppelbetten. Angesichts dessen packt Promi-Winzer Leo Hillinger sogleich die Bettwäsche seines Zimmergenossens und verfrachtet sie auf die Couch. Mit einem Mann in einem Bett schlafen, das sei ausgeschlossen –  schließlich könne der ja „in der Nacht rübergreifen“. In anderen Zimmern belässt man es bei einigen Scherzen, die die eigene Heterosexulität spielerisch unter Beweis stellen sollen.

Auf dem Fußballplatz geht es dann an die Arbeit, an die „ernsten Spiele“, die „sich (…) am besten dazu eignen, die sichtbaren Merkmale der Männlichkeit hervorzubringen und die so genannten männlichen Eigenschaften unter Beweis und auch auf die Probe zu stellen.“ Hans Krankl bevorzugt  den militärischen Stil und lässt seine Schützlinge ohne Pause rennen und schwitzen – Widerworte strengstens verboten. Das gegnerische Team muss dabei ab sofort zum Feind erklärt werden, auch das getrennte Brüderpaar soll keine Sentimentalitäten mehr zeigen, wenn es um den Wettbewerb geht. Bei Prohaska steht die Technik im Vordergrund, Ballkünstler will er aus den Promis machen. Nach wenigen Minuten drückt dem angehenden Tormann Hillinger allerdings schon der Schuh. „Könnte das einzige Mädchen bitte wieder zurück zur Gruppe kommen?“, ruft Prohaska lautstark über den Platz. Hillinger beklagt seine Schmerzen und verliert sogleich seinen Status – ab sofort wird er von Trainer und Kollegen „Leonie“ gerufen. Seine Männlichkeit, die „vor und für die anderen Männer und gegen die Weiblichkeit konstruiert ist“, wird auch angezweifelt, als ihn ein Ball später mit voller Wucht zwischen die Beine trifft. „Da is ja nix, da kann dir nix wehtun!“

Bei der abendlichen „Challenge“ treten die beiden Mannschaften dann bei einem Geschicklichkeitstest gegeneinander an – die fehlende Ernsthaftigkeit des Teams Prohaska (da wird gesungen und getanzt) bringt Krankl auf die Palme. Nach kurzem Überlegen setzt er den stärksten Mann Österreichs auf das „Mädchen“ Leonie Hillinger an – die beiden wälzen sich vor versammelter Mannschaft am Boden, bis sich Hillinger nach heftigem Einsatz schließlich geschlagen gibt. („Wie die Ehre – oder ihre Kehrseite, die Scham, die bekanntlich im Unterschied zur Schuld vor den anderen empfunden wird – muß die Männlichkeit in ihrem wahren Wesen aktueller oder potentieller Gewalt von den anderen Männern bestätigt und durch die anerkannte Zugehörigkeit zur Gruppe der ‚wahren Männer‘ beglaubigt werden“).

Dann kann endlich der eigentliche Wettbewerb beginnen, Team Prohaska gewinnt knapp, Team Krankl wird nachträglich disqualifiziert. Das will Krankl nicht akzeptieren, mitsamt seiner Mannschaft verlässt er unter dem Johlen der Gegner den Platz. Er „bleibt hart und verwehrt den Siegern jegliche Ehrerbietung“, so der Fernsehsprecher. Seine Schützlinge sehen das schließlich anders, „verweigern den Gehorsam“ und empfangen die Sieger applaudierend in der Hotellobby. Nach einigem männlichen Schulterklopfen herrscht wieder Harmonie – der „faire Kampf unter Männern“ wird in der nächsten Woche fortgesetzt.

Skispringen und Eierstöcke

S

Aktuell kämpfen Sportler_innen aus 82 Nationen in Vancouver um die begehrten Medaillen der Olympischen Spiele. Nicht so die Skispringerinnen – Skispringen der Frauen ist nicht olympisch. Warum das so ist, hat eine Blogautorin auf „Daily Kos“ zusammengefasst und brilliant kommentiert: Link

Auch im Jahr 2010 werden noch immer Argumente ins Feld gebracht, die schon im 19. Jahrhundert beliebt waren, um Frauen aus bestimmten Bereichen auszuschließen: XXX (bitte einsetzen) sei schädlich für die weiblichen Fortpflanzungsorgane.

Neueste Beiträge

Neueste Kommentare

Archive

Kategorien