Enquete – Körperpolitik

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Den heutigen Montag habe ich auf der zweiten Enquete der 20000frauen verbracht: Frauen.Körper.Politik lautete diesmal der Titel. Im Vergleich zur Auftaktveranstaltung (Arbeit.Neu.Denken – Arbeitsutopien) war der Fokus nicht ganz klar: Es wurde etwa über neoliberale Selbstregulierung, das Cyborg Manifesto und gesetzliche Bedingungen für Labien-Verkleinerung gesprochen – was wohl an den unterschiedlichen theoretischen Zugängen der Vortragenden und am heterogenen Publikum lag. Eigentlich mag ich das mit den verschiedenen Zugängen ja ganz gerne. Wenn ein Themenkomplex etwa von Medienwissenschafter_innen ebenso wie von Ökonom_innen betrachtet wird, schärft das zumeist doch den eigenen Blick für Zusammenhänge (so lange es in der Auseinandersetzung gelingt, eine „gemeinsame“ Sprache zu finden).

Diese produktiven Auseinandersetzungen auf außeruniversitären feministischen Veranstaltungen schätze ich besonders. Denn meiner Erfahrung nach gestalten sich die Diskussionen dort sehr spannend – was ich auf wissenschaftlichen Symposien an Unis nicht immer so empfinde. Erstens geht es da auch immer darum, sich vor den Peers zu beweisen und zweitens werden Vorträge oft so angelegt, dass es sehr schwierig ist, den Argumentationen zu folgen, wenn mensch die relevante Literatur nicht gelesen hat. Nicht, dass dieser Zugang keine Berechtigung hätte, aber die Diskussionen, die in solch einem Rahmen stattfinden, haben mich noch selten begeistert. Hier liegt meiner Meinung nach die Stärke von Veranstaltungen, die von Wissenschafter_innen und Aktivist_innen aus ganz unterschiedlichen Disziplinen besucht werden: Es werden Fragen gestellt, die sich Expert_innen eines bestimmten Gebiets oft gar nicht mehr stellen. Und auch, wenn dabei (mitunter problematische) Verkürzungen entstehen, habe ich Vorträge von bestimmten Wissenschafter_innen schon als spannender erlebt, wenn sie nicht vor einem einschlägigen Fachpublikum stattgefunden haben.

So habe ich das auch diesmal wieder bei den 20000frauen erlebt. Wenn etwa eine Medientheoretikerin mit einer Gesundheitsbeauftragten diskutiert, wird sofort sichtbar, welche Spannungen und Widersprüche es zwischen feministischer Theorie und institutionalisierter Frauenpolitik gibt. Wobei der Austausch hier natürlich nicht immer produktiv verläuft: Die Fokussierung auf tagespolitische Fragestellungen kann dem Andenken von Utopien durchaus im Weg stehen (Aber: auch gescheiterte Diskussionen empfinde ich als informativ). Wenn dann auch noch im Plenum über „notwendige“ Aktionen und die Entwicklung „der Frauenbewegung“ gesprochen wird, zeigen sich ebenso deutlich die Ausschlüsse und Ent_nennungen, die hierbei produziert und immer wieder aufs Neue be_nannt werden müssen.

Am Nachmittag habe ich übrigens den Workshop der Sexualpädagogin Bettina Weidinger besucht. Sie arbeitet hauptsächlich mit Kindern und Jugendlichen und verfolgt dabei das Anliegen, Basiswissen zu Sexualität zu vermitteln, was unter anderem das Enttarnen von Mythen und das Hinterfragen von Normen beinhaltet (wie weit diese Reflexion konkret in der Praxis geht, kann ich nicht beantworten, leider war die Zeit für dieses spannende Thema viel zu kurz). Im Zentrum steht schließlich die (gar nicht so einfache) Frage: Was will ich? (Mehr Infos gibt es auf der Website des Instituts für Sexualpädagogik) Dass solche Workshops eigentlich nicht nur für Kinder und Jugendliche interessant wären, sieht auch Weidinger so – allerdings fehlt es nicht zuletzt an Institutionen, die solche Veranstaltungen für Erwachsene fördern bzw. finanzieren.

„Wir reden seit 40 Jahren über dieselben Dinge“ – dieses Resümee wurde wie so oft im feministischen Kontext am Ende der Veranstaltung gezogen. Und ja, es ist tatsächlich äußerst deprimierend, wenn es in Österreich etwa seit Jahrzehnten nicht gelingt, bestimmte Forderungen in Bezug auf Abtreibung politisch durchzusetzen – aber gerade solche Beispiele zeigen, dass es notwendig ist,  dieselben Themen unter veränderten gesellschaftlichen Bedingungen immer und immer wieder zu diskutieren. Veranstaltungen wie diese sollte es diesbezüglich viel häufiger geben (Ich freue mich schon auf die FrauenSommerUni im Burgenland!).

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brigittethe

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By brigittethe

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