TagFamilienpolitik

Warum wirbt niemand für die Auflösung der Familie?

W

fragt sich Suzanne Brøgger in ihrem Buch „…sondern erlöse uns von der Liebe“. Aber das war 1973 und die Autorin ist Dänin. Wir haben jetzt aber 2011 und wir sind in Österreich. Also reden wir von Familiensplitting, family mainstreaming und der Bevorzugung von Eltern gegenüber kinderlosen Frauen am Arbeitsmarkt. Reaktionär? Kurios? Anscheinend nicht genug: Mikl-Leitner, die neue ÖAAB-Chefin, ist sich der Problematik bewusst, wenn (in Zukunft?) ein Job bei gleicher Qualifikation eher an eine Mutter als eine kinderlose Frau gehen soll – „Da muss man vorsichtig sein. Es gibt ja etwa auch viele, die keine Kinder bekommen können.“ (Die Presse, 12.05.2011) Das ist kurios. Denn was soll das nach sich ziehen? Etwa dass Frauen, die keine Kinder bekommen können, Müttern gleich gestellt werden sollen? Was passiert mit der sonderbaren Art von „Frau“, die ohne gegebenen biologischen Anlass keine Kinder hat, weil sie einfach keine Kinder will?

Aussagen wie diese lassen daran zweifeln, dass die Kernfamilie in nächster Zukunft abgeschafft werden wird. Dabei geht es in erster Linie nicht um irgendeine Kernfamilie, die es um jeden Preis aufrecht zu erhalten gilt, sondern um jene des Mittelstandes, also jene der so genannten Leistungsträger (kein generisches Maskulinum). Denn auf diese, so hat schon Suzanne Brøgger vor 38 Jahren erkannt, richtet sich die gesamte Konsumgüterindustrie. Nach dem Motto Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s der Kernfamilie gut. Warum dies auch umgekehrt gilt, liegt daran, so Brøgger, dass Neuanschaffungen einem das Gefühl der Erneuerung im Paarverhältnis geben. „Wenn das junge Paar eine Tiefkühltruhe bekommen hat, küssen sie sich, und abends lieben sie sich vielleicht.“ Hier schließt sich dann auch der Kreis: Konsumgütererwerb – Sex – Kinder – Kernfamilie – Konsumgütererwerb.

Irgendwo soll es sie aber geben, wird gemunkelt, die Anti-Familialist_innen.

(ba)

Nein, wir müssen uns keine Gedanken machen…

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Die Budgetpläne der österreichischen Regierung haben die Wogen hochgehen lassen. Was sie konkret für die Situation von Frauen in Österreich bedeuten, darüber hat sich meine Studienkollegin und Gender-Expertin Betina Aumair Gedanken gemacht:

… über die laufende Budgeterstellung. Denn es wird nicht gespart an allen Ecken und Enden, sondern nur dort, wo es „sozial verträglich“ ist (SPÖ-Finanzstaatssekretär Schieder im Standard-Interview vom 24.10.2010). Auch weil sich so manche Politikerin und so mancher Politiker klar darüber sind, dass das Sparen „nicht alle happy macht“ (ebd.).

Nein, es macht nicht alle happy, im Gegenteil, vor allem deshalb nicht, weil es wieder einmal als sozial verträglich gilt, dort zu sparen, wo es in erster Linie Frauen trifft, nämlich im Pflege- und sogenannten Familienbereich. Jene Aussage, dass im Pflegebereich nicht gespart werde, sondern lediglich (!) der Zugang zum Pflegegeld der Stufe 1 und 2 „nur eine Spur erschwert“ (ebd.) werde, ist – milde ausgedrückt – Verhöhnung. Denn was außer Sparen bedeutet es, den Zugang zu monetären Transferleistungen so zu erschweren, dass im kommenden Jahr 17 Mio. Euro und bis zum Jahr 2014 insgesamt 142 Mio. Euro weniger ausgegeben werden müssen?

Diese Einsparungen werden zur Folge haben, dass sich noch weniger pflegebedürftige Menschen mobile Hilfsdienste (Essen auf Rädern, Hauskrankenpflege usw.) leisten können. Schon jetzt nimmt nur ein Viertel der Pflegegeld-BezieherInnen mobile Dienste in Anspruch. Die Hälfte der Nicht-InanspruchnehmerInnen gibt an, dass der Grund die mangelnde Finanzierbarkeit sei (Frauenbericht 2010).

Das Pflegegeld der Stufe 1 und 2 stellt mit 154,2 Euro bzw. 284,3 Euro pro Monat keine vollständige Abdeckung pflegebedingter Mehraufwendungen dar. So soll es auch nicht sein:

Das Pflegegeld stellt eine zweckgebundene Leistung zur teilweisen Abdeckung der pflegebedingten Mehraufwendungen und daher keine Einkommenserhöhung dar. Da die tatsächlichen Kosten für die Pflege das gebührende Pflegegeld in den meisten Fällen übersteigen, kann das Pflegegeld nur als pauschalierter Beitrag zu den Kosten der erforderlichen Pflege verstanden werden. Es ermöglicht den pflegebedürftigen Menschen eine gewisse Unabhängigkeit und einen (längeren) Verbleib in der gewohnten Umgebung (zu Hause).“ (help.gv.at)

Es stellt sich hier die Frage, warum das Pflegegeld nicht ein kostendeckendes sein kann? Warum den pflegebedürftigen Menschen nicht nur eine gewisse sondern eine vollständige Unabhängigkeit und trotzdem den Verbleib in der gewohnten Umgebung ermöglichen? Die Antwort ist nicht neu und liegt auf der Hand: Warum mehr Geld für Pflegedienste ausgeben, gibt es doch die Frauen, die das unentgeltlich machen. 2006 wurden 3,3 Mrd. Euro für die Pflegevorsorge ausgegeben (Frauenbericht 2010). Schätzungen gehen davon aus, dass die Kosten für die informelle Pflege, die mehrheitlich von Frauen erledigt wird, mit 3 Mrd. Euro zu beziffern sind (ebd.). Das bedeutet, dass sich der Staat mit jenen Menschen, die diese informelle Pflege leisten, die Kosten teilt.

Pflegedienste zu leisten, bedeutet in vielen Fällen das Aufgeben der Erwerbstätigkeit. Weniger als ein Drittel jener Menschen, die Angehörige pflegen, ist erwerbstätig. Vor der Übernahme der Pflege waren es etwas mehr als die Hälfte. Etwa die Hälfte der pflegenden Angehörigen hat kein Einkommen bzw. ein Monatseinkommen von unter 700 Euro netto. Von jenen, die über kein bzw. über weniger als 700 Euro netto Einkommen verfügen, sind 91 % Frauen (Frauenbericht 2010). Rund 56 % aller PflegegeldbezieherInnen sind in den Stufen 1 und 2 zu verzeichnen (Statistik Austria).

Im Familienbereich, der in Wirklichkeit ein Frauenbereich ist, da beinahe sämtliche Maßnahmen unmittelbare Auswirkungen auf Frauen, jedoch kaum welche auf Männer haben, soll beim Ausbau der Kinderbetreuungsplätze gespart werden.

2009 lag die Betreuungsquote in Kindertagesstätten der 0- bis 2-jährigen Kinder bei 15,8 %, jene der 3- bis 5-jährigen bei 88,5 % und jene der 5- bis 9-jährigen bei 15,4 % (Statistik Austria). Hand in Hand mit der Kinderbetreuungsquote in Kindertagesstätten geht jene der Erwerbstätigkeit bzw. Nichterwerbstätigkeit der Frauen. Bei Kindern unter 3 Jahren ist bei über zwei Drittel der Paare die Frau nicht aktiv erwerbstätig, sondern zu Hause. Bei weiteren rund 20 % ist die Frau auf Teilzeitbasis erwerbstätig. Die Betreuung von Kindern unter 3 Jahren erfolgt also beinahe ausschließlich durch die Mütter. Erst wenn das jüngste Kind bereits 15 Jahre oder älter ist, sind die Anteile jener Paare, bei denen die Frau Teilzeit und der Mann Vollzeit arbeitet und jener Paare, bei denen die Frau und der Mann vollzeiterwerbstätig sind, wieder annähernd gleich hoch.

Müssen wir uns wirklich keine Gedanken machen?

Doch, vor allem darüber, was diese Maßnahmen im Pflege- und Familien- bzw. Frauenbereich für Frauen und Männer und das Verhältnis zwischen ihnen bedeutet:
Es bedeutet, dass sich noch weniger pflegebedürftige Menschen mobile Hilfsdienste leisten können und diese von Frauen übernommen werden müssen.
Es bedeutet, dass noch weniger Frauen erwerbstätig sein können um die Pflege der Angehörigen übernehmen bzw. um Kinder betreuen zu können.
Es bedeutet, dass noch mehr Frauen, die weiterhin erwerbstätig bleiben, einer noch größeren Belastung ausgesetzt werden.
Es bedeutet, dass der Staat wieder einen Teil seiner Aufgaben als Sozialstaat in den Privatbereich auslagert.
Es bedeutet, dass Frauen wieder einmal verstärkt an das Haus bzw. die Aufgaben im Haus gebunden werden und die Welt draußen verstärkt von Männern gestaltet werden kann.
Es bedeuet, dass Männer weiterhin unabhängig von jeglicher Familienplanung ihrer Lebensgestaltung nachgehen können.

Es bedeutet, dass Frauen nach wie vor Karriereeinbrüche hinnehmen müssen um Kinderbetreuungspflichten übernehmen zu können.
Es bedeutet, dass Frauen nach wie vor schlecht bezahlte Arbeiten und prekäre Arbeitssituationen in Kauf nehmen um zumindest in irgendeiner Form neben der Kinder- oder/und Pflegebetreuung erwerbstätig sein zu können.
Es bedeutet, dass Männer nach wie vor auf Kosten der Frauen einer Karriere nachgehen können.
Es bedeutet, dass sämtlichen Gleichstellungsversuchen von Frauen und Männern noch einmal mehr das Wasser abgegraben wird.
Es bedeuet, dass der Weg für Frauen zur Gleichstellung noch ein Stückchen länger, steiler und steiniger geworden ist.
Es bedeutet nichts Neues.
Es bedeutet, dass das Private doch politisch ist.

Gastbeitrag von Betina Aumair

Das Eigene im Anderen

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Während der  amtierende Bundespräsident Heinz Fischer gestern im Wiener MAK den Wahlkampfauftakt für seine mögliche Wiederwahl feierte, startete im Netz eine Intiative gegen seine Mitstreiterin.  Die „Wiener Frauen gegen Rosenkranz“, die sich als überparteiliche Plattform (initiiert von SP-Vizebürgermeisterin Renate Brauner) präsentieren, wenden sich gegen das „vorsintflutliche Frauenbild“ der Präsidentschaftskanditatin. Die FPÖ reagierte sofort und ließ verlauten, dass Barbara Rosenkranz „das Bild einer modernen österreichischen Frau mehr als jede andere verkörpere“, schließlich sei sie „eine berufstätige zehnfache Mutter, die all ihre großen Aufgaben privater und beruflicher Natur mit Bravour meistere“. (siehe Standard.at)

Tatsächlich entspricht der Lebensentwurf von Barbara Rosenkranz nicht unbedingt einem reaktionären Weltbild: Die FPÖ-Politikerin hat seit 2003 das Amt der Landesparteiobfrau in Niederösterreich inne, ist seit 2005 auch stellvertretende Bundesobfrau und hat ihre zehn Kinder ihrem Mann anvertraut, der sich um das Familienleben der „Karrierefrau“ kümmert. „Als ich dann mit 35 Jahren in den Landtag eingezogen bin, haben wir begonnen, unsere Arbeitsaufteilung flexibler zu gestalten. Mittlerweile hat mein Mann die Arbeit daheim zur Gänze übernommen“, erzählt sie im Interview mit der „Presse„. Dennoch widerstrebt Rosenkranz ihr eigenes Berufsleben offensichtlich so sehr, dass sie sich selbst noch immer als „Hausfrau“ bezeichnet. Und mit Hausfrauen setzt sie sich auch politisch auseinander. In der frauenpolitischen Version (Rosenkranz würde wohl eher Familienpolitik sagen) der nüchtern wirkenden Politikerin ist „Mütterlichkeit“ das zentrale Element, „den“ Feminismus bezeichnet sie als „Irrweg“.

Mehr noch, hinter „Gender Mainstreaming“, dem Versuch, die Gleichstellung der Geschlechter auf allen Ebenen durchzusetzen, ortet Rosenkranz gar eine Verschwörungstheorie. In ihrem 2008 erschienenen Buch „MenschInnen“ (das in mehreren österreichischen Medien, z.B. in der Presse mit durchaus wohlwollenden Kritiken bedacht wurde) spürt sie „neomarxistischen“ Ideolog_innen nach, die am Entwurf des „geschlechtslosen Menschen“ arbeiten würden und deren Ziel es sei, ihr Weltbild der restlichen Gesellschaft aufzuzwingen. Vorangetrieben werde das Ganze von „sexuellen Randgruppen“ – also all jenen Menschen, die nicht ins rechtskonservative (bzw. rechtsextreme) Schema der Politikerin passen: Homosexuelle und Transgender Personen zum Beispiel. „Rechte für Gleichgeschlechtliche bis hin zur sogenannten Homo-Ehe werden deswegen so vehement gefordert, weil man so die Zweigeschlechtlichkeit und die ,Zwangsheterosexualität‘ weiter aufweichen und verwirren kann.“

Geschlecht ist für Rosenkranz Natur und Tatsache. „Die Gendertheorie, wonach das Geschlecht ausschließlich kulturell sowie sozial fixiert und ein Ergebnis von Erziehung ist, ist unwissenschaftlich und falsch. Es gibt selbstverständlich das biologische Geschlecht.“ Und Rosenkranz hat für ihre Ansichten empirische Beweise: „Meine Kinder hatten völlige Freiheit, aber ich habe eben die Erfahrung gemacht, dass dreijährige Buben keine Puppen anziehen oder füttern. Meine Buben hatten in diesem Alter ein eher ingenieurhaftes Interesse und haben die Puppen zerlegt.“ Ganz klar, „Mädchen ziehen sich eben gerne schöne Kleider an, und Buben wollen kein Prinzessinnenkostüm.“ Ja, Barbara Rosenkranz hat ganz offensichtlich sehr genaue Vorstellungen davon, was einen Mann und was eine Frau ausmacht. Fixe Geschlechtsidentitäten, von der Biologie (oder der „Natur“) vorgegeben, sollen in unserer Gesellschaft innerhalb einer  heterosexuellen Vereinigung aufeinander treffen (und sich bestenfalls vermehren).

Für ein solches Geschlechterbild erntet Rosenkranz in ihrer eigenen, männerdominierten Partei („weil in einer Oppositionspartei unseres Zuschnitts tätig zu sein, ein hartes Geschäft ist“) Beifall. Bekämpfen wir im Anderen vielleicht das Eigene? Das Unbewusste, das unheimliche Eigene? – Diese Frage stellte sich die Psychoanalyse zu Recht. Betrachtet man/frau Politiker_innen der FPÖ, ex-FPÖ BZÖ und FPK genauer, so finden sich gerade in diesen Reihen lebendige Beispiele für die Brüchigkeit und Uneindeutigkeit von Geschlechtsidentitäten. Wer schon einmal einen Auftritt von Barbara Rosenkranz verfolgt hat, der/die wird vermutlich nicht zu allererst die fromme, mütterliche Hausfrau gesehen haben. Und auch bei einem Vergleich von Heinz-Christian Strache, Herbert Haupt und Ewald Stadler fällt es schwer, einen einheitlichen Entwurf von „Männlichkeit“ zu finden. (Einer „natürlichen Männlichkeit“). Und die ist – selbstverständlich – heterosexuell. Wenig verwunderlich also, dass Stefan Petzner nicht mehr in den vordersten Reihen seiner Partei agiert. Homosexualität – die gibt es in der FPÖ (bzw. BZÖ) nicht, auch nicht nach Haiders Tod. „Die heterosexuelle Öffentlichkeit mag diese Offensichtlichkeiten nicht. Selbst wenn nun von Interviews geredet wird, in denen Petzner ihre schwule Beziehung bestätigt, darüber schrieb noch gestern in Österreich niemand, und zu sehen oder zu hören ist dieses Interview bisher noch nicht“, schrieb die „taz“ im Oktober 2008.

Jörg Haider selbst war ein schillerndes Beispiel der Uneindeutigkeit, wie ihn Robert Misik – ebenfalls in der „taz“ – porträtiert: „Haiders Magnetismus schuldete sich ja nicht im Geringsten seiner schillernden, widersprüchlichen Persönlichkeit, die immer auch mit Gesten des Erotischen spielte, aber auch mit der Uneindeutigkeit. Er hatte einen persönlichen Zauber, der offenkundig besonders auf Männer in ihren frühen Zwanzigern wirkte, die er um sich scharte und blutjung in höchste Ämter hievte – ‚Buberlpartie‘ nannte man diese Prätorianergarde.“

Wo findet er sich also, der „eindeutige“ Mann, wo die „eindeutige“ Frau, das Ideal der Barbara Rosenkranz – fernab der „sexuellen Randgruppen“? Oder existiert „es“ vielleicht gar nicht? Ist vielleicht jeden Tag aufs Neue sehr viel Arbeit nötig, um eine hierarchische Geschlechterordnung mit ihren zwei „eindeutigen“ (heterosexuellen) Geschlechtern aufrechtzuerhalten und zu legitimieren? Müsste sich Barbara Rosenkranz so sehr vor einem Angriff auf die heterosexuelle Zweigeschlechtlichkeit fürchten, wenn sie uns doch von der Natur aufgezwungen wird?
Ich werde am 25. April übrigens Heinz Fischer wählen.

Foto: Christian Jansky

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