„Von internationaler Solidarit\u00e4t sind wir weit entfernt“

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Dieses Interview ist in der November-Ausgabe der an.schläge erschienen.

Mit dem Übergehen der in den eigenen Parteistatuten verankerten Frauenquote beschwor die SPÖ den Unmut engagierter Feminist*innen herauf. Irmgard Schmidleithner, ehemalige ÖGB-Frauenvorsitzende, spricht im Interview über persönliche Enttäuschungen und politische Leerstellen.

Sie waren bis 1999 ÖGB-Frauenchefin und haben sich seither immer wieder kritisch zu frauenpolitischen Fragen zu Wort gemeldet. Hat Sie das Vorgehen der SPÖ bei der Nachbesetzung, bei der Sonja Ablinger trotz Frauenquote übergangen wurde, überrascht?

Nein, aufgrund meiner langjährigen Erfahrung mit der Partei, der ich seit fünfzig Jahren angehöre, habe ich diese Vorgangsweise befürchtet. Daher habe ich vor der entsprechenden Sitzung zwei E-Mails an den Landesparteivorsitzenden und die beiden Landesgeschäftsführer geschickt, in denen ich auf den entsprechenden Paragrafen hingewiesen habe. Beide Mails blieben unbeantwortet.

In einem Kommentar auf der Website von Sonja Ablinger kündigen Sie persönliche Protestmaßnahmen an und sprechen von notwendigen konsequenten Maßnahmen. Sind die SPÖ-Frauen zu wenig rebellisch?

Persönlich habe ich meine Konsequenzen bereits gezogen und meinen Mitgliedsbeitrag dem Verein „Frauen in Not“ überwiesen. Zu der Frage nach dem Rebellischen: Viele der SPÖ-Frauen sind zu wenig konsequent. Ganz an der Spitze die SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek. Sie hat noch vor der Beschlussfassung eine Mail an den Landesparteivorsitzenden geschickt. In dieser Mail machte sie ihn auf den entsprechenden Paragrafen aufmerksam. Bei der Sitzung des SPÖ-Bundesparteivorstands stimmte jedoch auch sie für Walter Schopf – obwohl sie genau wusste, dass sie damit eine Frauendiskriminierung begeht. Eine Tatsache, die bei ihren Vorgängerinnen unvorstellbar gewesen wäre.

Die Frauenagenden waren zuletzt im Bundeskanzleramt angesiedelt, nun ist Gabriele Heinisch-Hosek Bildungsministerin. Bleibt da noch genug Zeit für Frauenpolitik?

Johanna Dohnal hat sich immer geweigert, eine zusätzliche Aufgabe zur Frauenpolitik anzunehmen. Sie war einfach der Meinung, dass jedes weitere Angebot nur dazu führen würde, keine oder nur wenig – zu wenig – Zeit für die Durchsetzung von Fraueninteressen zu haben. Und meiner Meinung nach hat sie damit auch Recht gehabt, wie die derzeitige Situation zeigt. Gerade der Bildungsbereich ist so umfassend, dass auch bei bestem Bemühen die Frauen auf der Strecke bleiben.

Frauenpolitische Themen stehen derzeit bei keiner im Parlament vertretenen Partei hoch im Kurs. Woran liegt das Ihrer Ansicht nach?

Es gibt, wie Sie in Ihrer Frage schon formulieren, nicht das Frauenproblem bzw. die Frauenforderung, sondern die unterschiedlichsten Probleme. Das sind zunehmender Arbeitsdruck, Angst um den Arbeitsplatz, Arbeitslosigkeit, immer weniger leistbare Wohnungen, zunehmende Armut und vieles mehr. Viele von den Betroffenen haben weder den Mut noch die Zeit, ihre Anliegen zu formulieren und die politische Umsetzung der daraus entstehenden Forderungen zu verlangen. Dies alles wäre auch im Besonderen der Aufgabenbereich der Frauenministerin – nicht umsonst haben Frauen lange dafür gekämpft, dass aus dem Frauenstaatssekretariat ein Ministerium wird. Gerade die Erfahrungen in den letzten Wochen haben mir gezeigt, dass der Feminismus in den Parteien weitgehend tot ist. Es gibt noch ein paar Feministinnen, doch damit hat es sich. Deshalb habe ich keine Hoffnung, dass es hier entsprechende Maßnahmen geben wird. Es wird so wie Ende der 1960er-, Anfang der 70er-Jahre wieder einer autonomen Frauenbewegung bedürfen, um gravierende Bewusstseinsarbeit und ein Wiederbeleben zu erreichen.

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Protestaktion vor dem Burgtheater – Foto: Bettina Frenzel

Im Parteiprogramm der SPÖ finden sich nach wie vor sozialistische Ideale wie der Wunsch nach einer „Gesellschaft ohne Privilegien und Herrschaftsverhältnisse“, beim Maiaufmarsch wird noch immer die „Internationale“ gesungen. Die letzten beiden sozialdemokratischen Kanzler haben hingegen nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt für den VW-Konzern gearbeitet (Klima) und waren als Berater für die Banken- und Immobilienbranche tätig (Gusenbauer). Wie glaubwürdig ist die SPÖ noch als Partei der ArbeiterInnenklasse?

Männer wie Klima und Gusenbauer (wobei ich von ihm besonders enttäuscht bin) verursachen natürlich Verärgerung und Enttäuschung bei sozialdemokratischen WählerInnen. Doch wenn die Sozialdemokratie ihre Werte auch entsprechend lebt, sinkt wegen zwei Personen die Glaubwürdigkeit nicht. Diese Werte sind für mich unter anderem Solidarität mit den Schwächeren in unserer Gesellschaft. Das heißt Abbau von Armut, Schaffung von sozialem Wohnraum, Absicherung von prekären Arbeitsverhältnissen (wenn es schon nicht mehr gelingt sie zu verhindern) und vieles mehr. Ich will damit nicht sagen, dass nichts geschieht. Aber es ist zu wenig, bzw. bekämpfen manche in dieser Sozialdemokratie nicht die Armut, sondern die Armen – wenn ich etwa an das Bettlergesetz in Oberösterreich denke. Leider sind es nicht nur der Bundesparteivorsitzende, sondern auch viele Spitzenfunktionäre, die sich besonders an der Meinung der kleinformatigen Tageszeitungen orientieren. Und das Ergebnis dieses Meinungsbildes ist nicht nur seh-, sondern auch spürbar. Leider zu Ungunsten der sozial Schwächeren. Von internationaler Solidarität sind wir da überhaupt weit entfernt.

Frauenpolitikerinnen beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit denselben Themen. Sie haben 1980 begonnen, für den ÖGB zu arbeiten. In welchen Bereichen sind rückblickend die größten Erfolge zu verbuchen?

Als Gewerkschaftspolitikerin möchte ich noch ein weiteres Jahr zurückgehen. Ich war Lohnbuchhalterin und habe so Monat für Monat gesehen, um wie viel Frauen bei gleicher Arbeit und gleicher Einstufung weniger verdienten. Es gab nämlich in den Kollektivverträgen nochmals die Unterteilung in Frauen und Männerlöhne. Hier liegt auch eine Ursache, warum es noch immer die sogenannte Lohnschere gibt. Ich habe mich schon damals als Betriebsrätin bei Gewerkschaftskonferenzen gegen diese Diskriminierung gewehrt und eine gesetzliche Änderung verlangt bzw. entsprechende Anträge unterstützt. Erst als am 1. Juni 1979 das Gleichbehandlungsgesetz in Kraft trat, verschwand diese Ungleichbehandlung aus den Kollektivverträgen. Zehn Jahre später folgte die Einführung des Elternkarenzurlaubes und somit die gesetzliche Möglichkeit zur Väterkarenz.

1990 wurde dann in einer Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes festgestellt, dass das unterschiedliche Pensionsalter von Männern und Frauen verfassungswidrig ist. Allerdings wurde auch festgehalten, dass eine (Gesetzes-)Änderung nur längerfristig erfolgen kann und dass entsprechende Gleichstellungsmaßnahmen zu treffen sind. Daraufhin wurde in Zusammenarbeit von ÖGB-Frauen und Frauenministerin Dohnal ein entsprechendes Forderungspaket erstellt, wovon dann Verbesserungen (Gleichbehandlungs-, Mutterschutz-, Arbeitszeitgesetz, Pflegefreistellung) bzw. neue gesetzliche Regelungen wie zum Beispiel sozialrechtliche Absicherung der geringfügig Beschäftigten sowie deren Gleichstellung im Arbeitsrecht erreicht wurden.

Eine aktuelle Umfrage sieht SPÖ, ÖVP und FPÖ gleichauf bei jeweils 25 bzw. 26 Prozent. Was bräuchte die SPÖ Ihrer Meinung nach, um aus dem Tief zu kommen?

Die SPÖ müsste ganz einfach das leben, was im Parteiprogramm steht.

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