TagDie Christen

Worst Case

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Nun gibt es also einen dritten Kandidaten für die österreichische Bundespräsident_innenwahl am 25. April. In Hinblick auf Frauen- bzw. Geschlechterpolitik kann man/frau nahezu von einem worst case sprechen: Zu Barbara Rosenkranz gesellt sich nun Rudolf Gehring, der seinen Wahlkampfauftakt gestern in einer Kirche in Wien Döbling feierte. Der leidenschaftliche Christ und Abtreibungsgegner ist Bundesobmann der „Christlichen Partei Österreichs“ (vormals „Die Christen“), die seit 2005 existiert und bisher noch bei keiner Landtagswahl punkten konnte.

Das Programm der Partei (grob zusammengefasst): „Lebensschutz“, Ablehnung von Gender Mainstreaming, Ablehnung der Europäischen Union und eines schulischen Sexualkundeunterrichts. Dazu kommt die Verteidigung von Familie und Ehe, die „natürlich“ nur zwischen Mann und Frau geschlossen werden darf – Homosexualität bezeichnet Gründer Alfons Adam als „heilbare Sexualeurose“. Heimat ist für die Partei-Christ_innen „ein Gefühl, das mit dem Menschen mitwächst – von dem Flecken Erde, der für ein Kind überschaubar ist, über die Nation und dem Erdball bis hin letztlich zur himmlischen Heimat, aus der wir kommen und zu der wir zurückkehren“ – so auf der Website der CPÖ zu lesen.

Rudolf Gehring während einer Demonstration gegen den Ausbau eines islamischen Kulturzentrums in Brigittenau

Die Gründungsmitglieder der Partei waren zumeist schon länger im Kampf gegen die Abtreibung aktiv, auf der Website von Rudolf Gehring sind verschiedene Videos zu finden, in denen er gegen Abtreibungskliniken mobil macht. Am Internationalen Frauentag demonstrierte er zuletzt in Salzburg, wo unter anderem die Gynmed Ambulanz und das Frauengesundheitszentrum ISIS für den Frauenpreis des Salzburger Frauenbüros nominiert waren (den Preis erhielt schließlich das Frauenhaus). Auf dem mitgebrachten Plakat war der Slogan „Karriere darf nicht über Leichen gehen“ zu lesen. Auch bei der Feier zum 30-jährigen Bestehen des Ambulatoriums „pro:woman“ im Wiener Rathaus war Gehring vergangenen September vor Ort und demonstrierte. Die Demonstrationen der „Pro-Life“-Anhänger_innen nahm damals auch Johanna Dohnal zum Anlass, um auf die Straße zu gehen.

Der Kampf gegen die Fristenlösung ist Gehring nach wie vor ein großes Anliegen. In einem aktuellen Interview mit dem „Standard“ erklärt Gehring, angesprochen auf die Verwendung des Wortes „Babycaust“ in der eigenen Parteizeitung: „Addieren Sie einmal die Opfer des Holocaust, und addieren Sie die Opfer der Abtreibung – da kommen Sie auf eine erschreckend höhere Zahl.“ Ginge es nach Gehring, so müsse es „flankierende Maßnahmen“ für alle, die an einer Abtreibung beteiligt sind, geben. Für „alle, die das durchführen, Beihilfe leisten, dazu anstiften.“

Gehrings Frauenbild kommt den Vorstellungen von Barbara Rosenkranz recht nahe. Mütter sollen zuhause bleiben und sich um Kinder und Alte kümmern – dafür soll es ein Gehalt geben. Rein wirtschaftlich sei die bezahlte Betreuung im Eigenheim noch immer billiger als Kinderkrippe und Altersheim – und schließlich widerspreche eine außerhäusliche Berufstätigkeit dem „Innersten einer Mutter“. Ebenso wie bei Rosenkranz fußen Gehrings Erkenntnisse auf der empirischen Basis der eigenen Großfamilie: Der Politiker hat vier Kinder und (bald) sechs Enkel und glaubt daher zu wissen, was dem Innersten einer Mutter entspricht.

In Sachen Homosexualität weicht Gehring kaum von der Meinung des CPÖ-Gründers Adam ab: „Homosexualität ist eine Verirrung. Ich habe vor jedem, der sich homosexuell fühlt, Respekt. Da Homo-Ehe oder Adoptionsrecht abzuleiten, das passt nicht. Im Glauben gibt es einen Weg, wo sie zurückfinden können. Erfahrungsgemäß fühlen sich diese Menschen selbst nicht sehr wohl.“

„In diesem Wahlkampf sind so viele Menschen noch auf Orientierungssuche, dass wirklich überraschende Ergebnisse möglich sein können“, meinte der ehemalige „Presse“-Chefredakteur Andreas Unterberger (der auf seinem Blog gerne gegen Frauenquoten und „Schwulenehe“ wettert) beim gestrigen Wahlkampfauftakt. Realistisch gesehen wird Gehring aber wohl kaum in die Nähe der 70 Prozent kommen, die ihm ein glühender Fan „unter idealen Bedingungen“ vor der ORF-Kamera voraussagte. Dennoch ist Gehrings Kandidatur ein weiterer, dringender Grund, am 25. April zur Wahl zu gehen und bei Heinz Fischer das Kreuz zu machen.

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